1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

Flüchtlinge und Sozialarbeiterinnen in Gießen bedroht

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Steffen Hanak

Kommentare

Geldstrafen für zwei Männer und eine Frau, die in Gießen Flüchtlinge bedroht haben. Vor allem das Verhalten der Frau während des Prozesses ärgerte die Richterin.

Zwei Männer und eine Frau sowie zwei Kinder bummeln gut gelaunt zu ihrem Auto zurück. Gerade haben sie den Faschingsumzug in der Gießener Innenstadt bestaunt. Jetzt soll es zurück nach Beuern gehen. Doch als zwei Flüchtlinge mit ihren Sozialarbeiterinnen des Weges kommen, ist es mit der familiären Idylle vorbei. Wüst schimpfend gehen die beiden Männer auf die zwei Jugendlichen zu.

»Wir fackeln euch ab«, rufen sie unter anderem. Da sie immer näher kommen und einem 15-jährigen Syrer sowie einem 17-jährigen Afghanen den Weg versperren, stellen sich deren Sozialarbeiterinnen mutig dazwischen. Dafür werden die Frauen angeblökt: »Ihr seid ja tolle Deutsche, beschützt die, die euch vergewaltigen werden.« Zu Handgreiflichkeiten kommt es zum Glück nicht.

Sozialarbeiterin mit Kopfabschneiden gedroht

Für ihre verbalen Entgleisungen vom vergangenen Februar müssen die Männer – zwei Brüder – nun bezahlen. Ein Schöffengericht des Gießener Amtsgerichts verurteilte sie am Dienstag wegen Bedrohung zu Geldstrafen von je 400 Euro. Die angeklagte Frau muss 450 Euro zahlen. Sie wurde ebenfalls wegen Bedrohung verurteilt, weil sie einer Sozialarbeiterin später noch »Wir kriegen dich« zugerufen und dabei mit der Hand am Hals eine Geste gemacht hatte, die als Kopfabschneiden verstanden werden kann.

Das sei »besonders dreist« gewesen, rügte Richterin Sonja Robe, denn die Sozialarbeiterin habe zu diesem Zeitpunkt schon in einem Streifenwagen gesessen. Beide Sozialpädagoginnen hatten aus Angst, die Lage könnte eskalieren, die Polizei alarmiert. Aus Verärgerung darüber, dass ihr Partner – der Ältere der beiden Brüder – nun womöglich Schwierigkeiten bekommen könnte, hatte die Angeklagte diese Geste gemacht. »Es hat mich frustriert, dass die die Polizei gerufen haben«, gab sie offen zu.

Dass die Schuld bei ihrem Lebensgefährten und dessen Bruder lag, die laut Staatsanwalt Matthias Rauch »ohne Anlass« losgepöbelt hatten, sah die 35-Jährige nicht. Ganz im Gegenteil. Durch demonstratives Kaugummikauen, lautes Kichern während der Verhandlung und permanentes Kopfschütteln schien sie dokumentieren zu wollen, dass sie sich ungerecht behandelt fühlte. »Ihr Benehmen zeigt, dass Sie den Prozess für Unsinn halten und keine Einsicht besitzen«, las Robe der arbeitslosen Angeklagten die Leviten.

Erhebliche Vorstrafen

Deutlich reumütiger und zerknirschter wirkten die angeklagten Brüder. Sie räumten ein, »dass wir angefangen haben«. Laut Anklage sollen sie auch »Wir stechen euch ab« und »Ihr nehmt uns die Arbeitsplätze weg« gerufen haben. Beide schoben ihre verbalen Ausfälle auf ihren jeweiligen »Suffkopp«. Der 29-Jährige soll knapp zwei Promille Alkohol im Blut gehabt haben, sein 25-jähriger Bruder gut ein Promille, die Frau knapp 0,6 Promille.

Tatsächlich schien es sich bei allen drei Tätern nicht um klassische Neonazis zu handeln. Zwar waren der Ältere der Brüder und die Frau erheblich vorbestraft. Allerdings nicht einschlägig, sondern meist wegen Drogenbesitzes. Der Jüngste des Trios, der als Verkäufer der einzige Arbeitnehmer im Bunde war, hatte noch keine Vorstrafen. Deshalb wurde er lediglich verwarnt und muss die 400 Euro nur zahlen, wenn er innerhalb einer Bewährungsfrist von einem Jahr erneut straffällig wird.

Die beiden Jugendlichen wurden nicht gehört. Sie wohnen nicht mehr in Gießen.

Auch interessant

Kommentare