Gießen: „Da braut sich was zusammen“ – Sorge um Flüchtlings-Erstaufnahmeeinrichtung

In der Gießener Stadtpolitik sorgt man sich wegen der Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH) an der Rödgener Straße. Die neue Bundesregierung soll helfen.
Gießen – »Das ist eine ganz schwierige Geschichte, die sich da zusammenbraut«, sagte der frühere Grünen-Fraktionschef Klaus-Dieter Grothe am Mittwochabend (03.11.2021) im Sozialausschuss des Stadtparlaments zur Lage in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen. Der Ausschuss beschloss einstimmig einen FDP-Antrag, wonach sich Stadt und Kreis beim Regierungspräsidium dafür einsetzen sollen, dass auf dem Gelände an der Rödgener Straße eine weitere Leichtbauhalle für den Schulsport der Flüchtlingskinder errichtet wird.
Wie berichtet, sind die Zahlen in der EAEH zuletzt stark angestiegen. In der vergangenen Woche hielten sich dort fast 2700 Flüchtlinge auf. »Wir waren mal bei 800«, sagte Grothe im Ausschuss. Die meisten Neuzugänge kommen aus Afghanistan, Syrien, aus der Türkei, aus dem Irak und aus Somalia. In Gießen wurden in den letzten Monaten Leichtbauhallen auf dem Areal errichtet. Nicht nur wegen zunehmender Erstaufnahmen, sondern auch, um zu ermöglichen, dass die Bewohner wegen Corona Abstand halten können. Zudem sind einige Jugendherbergen in Hessen mit Flüchtlingen belegt worden.
„Lagerkoller“? Bewohner bleiben länger Gießener Erstaufnahmeeinrichtung
Verschärft wird die Lage durch die gemeinsame Unterbringung von Flüchtlingen mit Menschen, die in Gießen auf die Rückführung in ihre Heimat warten. Von diesem Personenkreis gehen oft die sich häufenden Übergriffe auf Mitbewohner und EAEH-Mitarbeiter aus. In den letzten Wochen gab es wieder vermehrt Polizeieinsätze.
Der Grünen-Stadtverordnete Grothe, der seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, stellte fest: »Es ist ein Ankerzentrum entstanden. 2018 haben wir im Stadtparlament beschlossen, dass wir das nicht wollen.« Grothe sowie Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz und Stadträtin Astrid Eibelshäuser (beide SPD) machten das 2019 in Kraft getretene sogenannte »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« für die angespannte Situation in der EAEH mitverantwortlich und hoffen, dass die neue Bundesregierung Korrekturen vornimmt. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass ausreisepflichtige Asylbewerber in den zentralen Einrichtungen bis zu ihrer Rückführung bleiben müssen. Grothe: »Früher waren die Leute sechs Wochen in der EAEH, jetzt sind es bis zu eineinhalb Jahren. Das führt zu extremen Problemen untereinander.« Insofern sei jede Maßnahme, die einem »Lagerkoller« entgegenwirken könne, hilfreich, erklärte der Grüne mit Blick auf den Antrag des FDP-Stadtverordneten Klaus Dieter Greilich.
Flüchtlingsdebatte in Gießen: „Dezentrale Unterbringung aufzugeben, war Fehler“
Der berichtete, dass der Sportunterricht in der EAEH-internen Schule unter Platzmangel leide. Daher sollten sich Stadt und Kreis beim RP dafür einsetzen, dass - analog zur mobilen Sporthalle aufdem Gelände des MTV 1846, die die Liebigschule nutzt - eine weitere Leichtbauhalle für den Sportunterricht in der EAEH errichtet wird. Eibelshäuser sagte zu, Kontakt zum RP aufzunehmen.
Randy Uelman korrigierte Grothe insofern, dass es sich bei der EAEH nicht um ein Ankerzentrum handele. Dass das Geordnete-Rückkehr-Gesetz zu Problemen führe, bestätigte der CDU-Stadtverordnete, der selbst beim RP mit Flüchtlingsangelegenheiten befasst war, gleichwohl. Er berichtete auch von einer geringeren Aufnahmebereitschaft der Kommunen. Für Grothe nicht verwunderlich: »Die dezentrale Unterbringung aufzugeben, war ein Fehler. Den wieder rückgängig zu machen, ist schwierig.« (mö)