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Exportschlager »made in Hessen«: Was sind die größten Erfindungen aus Hessen?

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Von: Karola Schepp

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Die Sonderausstellung »Made in Hessen« erzählt im Alten Schloss in Gießen globale Industriegeschichten mit regionalem, hessischem Bezug.

Gießen – Der Chemiker Justus Liebig, der von 1824 bis 1852 in Gießen lehrte, beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie tierische Rückstände sinnvoll weiterverarbeitet werden konnten. Es gelang ihm, Fleischbrühe in Pulver umzuwandeln. Und als 1865 der deutsche Ingenieur Georg Christian Giebert in Uruguay »Liebig’s Extract of Meat Company Limited« gründete, wurde Liebig Leiter der wissenschaftlichen Abteilung und zuständig für die Qualitätskontrolle in Deutschland.

Liebigs Fleischextrakt wurde zum Exportschlager – und ab 1872 sogar schon gezielt mit Sammelbildchen beworben. Die »Liebig Company« gilt daher auch als ein Pionier auf dem Gebiet des Marketings. Der Chemiker war aber auch noch auf weiteren Gebieten bahnbrechend. Ohne seine Forschungen zum Herstellen eines Mineraldüngers wäre etwa eine effiziente Landwirtschaft nicht denkbar.

Es sind solche und ähnliche global wirksame Industriegeschichten, die in hessischen Firmen, Laboren oder Werkstätten ihren Anfang nahmen, von denen die neue Sonderausstellung »Made in Hessen« im Oberhessischen Museum erzählt. Die Wanderausstellung ist von heute an bis Mitte Oktober im ersten Stock des Alten Schlosses zu sehen und zieht anschließend in weitere, an der Konzeption beteiligte Museum, weiter.

Die »Weltpremiere« der Schau stellten nun bei einem Presserundgang Christina Reinsch, Geschäftsführerin des Museumsverbands Hessen, sowie Museumsleiterin Katharina Weick-Joch und ihre Mitarbeiterinnen Amalka Hermann und Julia Schopferer vor.

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Die Ausstellung »Made in Hessen« erzählt im Alten Schloss in Gießen globale Industriegeschichten mit regionalem Bezug. © Oliver Schepp

Ausstellung »Made in Hessen« im Alten Schloss in Gießen: Hessische Erfindungen ausgestellt

In Hessen sind viele Erfindungen gemacht worden, die Geschichte geschrieben haben. Zahlreiche Leihgaben dazu, auch aus kleineren Museen, seien in die Ausstellung eingeflossen, freut sich Weick-Joch und dankt diesen Institutionen ausdrücklich dafür. Denn immerhin seien deren »beste Stücke« nun zwei Jahre lang auf Wanderschaft. Doch in der Ausstellung »Made in Hessen« werden sie angemessen in Szene gesetzt. Die Ausstellungsoptik orientiert dabei an Container – Sinnbild für die Reise, die die Schau unternimmt, aber auch Anspielung auf die Industrie-Thematik der einzelnen Themenbereiche.

Es gibt jede Menge zu entdecken: So können Besucher erkunden, wie Anfang des 20. Jahrhunderts Architektin Margarete Schütte-Lihotzky für das Frankfurter Stadtplanungsprogramm den Ur-Typ der Einbauküche entwarf und ab 1933 der technische Direktor der Burger Eisenwerke in Herborn daraus eine Kombination aus Herd und Kühlschrank und später eine Flugzeugküche entwickelte.

Knowhow aus Hessen spielte auch beim Siegeszug der Wetzlarer Firma Leitz, die Mikroskope und die Kleinbild-Systemkamera »Leica« erfand, eine große Rolle. Und wer heute ein Mineralwasser bestellt, spricht oft von »Selters«, denn Niederselters im Taunus wurde schon im 18. Jahrhundert Weltmarktführer unter den Mineralbrunnen und setzte zudem beim Aufbau von Vertriebswegen Maßstäbe. Auch der Glücksfall, dass im Kasseler und Gießener Raum reiche Ton- und Kalksteinvorkommen die Entwicklung heimischer Industriezweige mit Exportschlagern wie Schneiderkreide aus Großalmerode, Lahnmarmor (unter anderem verbaut im Empire State Building in New York) und der Gail’schen Kachel aus Gießen erst möglich machten, wird dokumentiert.

Die Ausstellung zeigt aber auch, wie Konkurrenz das Geschäft belebte, stellt dazu beispielhaft zwei von den Opel- und den Adler-Werken entworfene Fahrräder vor.

Ausstellung »Made in Hessen« im Alten Schloss in Gießen: Sonderausstellung zur Industriegeschichte

Die Sonderausstellung zeigt Industriegeschichten anhand von Produkten, Marken und Ideen, die in den letzten 150 Jahren aus Hessen ihren Weg in die zunehmend globalisierte Welt fanden und führt vor Augen, wie auch immer wieder Synergien genutzt wurden. Viele hessische Produkte konnten sich über eine lange Zeit am Markt behaupten, andere gerieten schon bald in Vergessenheit. Die Schau zeigt solche Erfolgsgeschichten, aber auch das Scheitern von Ideen »made in Hessen«, etwa durch den wachsenden Konkurrenz- und Preisdruck oder Ressourcenmangel und Abschottungspolitik. Auch die kolonialistischen Ausbeutung wird angesprochen.

Besuchern bietet die Ausstellung zudem die Gelegenheit, auch mal Exponate anzufassen, in Extrakästen Seitenstränge der jeweiligen Themenbereiche zu erkunden, oder an einer Stele an einem Quiz teilzunehmen sowie einen Blick in die Zukunft zu formulieren.

Mittels QR-Codes bekommen Besucher, etwa an einem großen »Setzkasten« mit zahlreichen Ausstellungsstücken – von der Adler Schreibmaschine von 1920 über den Buderus-Heizkessel gleichen Baujahrs bis zu den von der Lauterbacher Firma Wegener für die Olympischen Spiele 2000 gefertigten Strohhüten – weitere Informationen. Mehrinformationen bietet auch die Homepage made-in-hessen.online, die nächste Woche auf Dauer freigeschaltet wird und neben weiteren Objekten auch Verbindungen zwischen einzelnen Produkten und Firmen aufzeigt.

Zur Ausstellung erscheint auch ein Katalog im Verlag wbg Darmstadt, der für 25 Euro direkt im Museum oder an museum@giessen.de per E-Mail bestellt werden kann. Dieser Begleitband gibt Einblick in die große Bandbreite hessischer Industrieproduktion im 19. und 20. Jahrhundert. Herausgeber sind das Hessische Wirtschaftsarchiv, der Museumsverband Hessen, Historiker Christian Kleinschmidt von der Uni Marburg und Kunsthistorikerin Sigrid Ruby von der Uni Gießen, die seinerzeit mit ihrer Kritik, dass sich in Hessen die Industriegeschichte nicht in einem Museum gebündelt wiederfinde, den Anstoß zur Ausstellung »Made in Hessen« gegeben hatten. (Karola Schepp)

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