Erlesenes Programm

Beim Winterkonzert am Donnerstag im Hermann-Levi-Saal präsentierte das Duo Katharina (Klavier) und Konstantin Sellheim (Viola) erlesene, teils selten aufgeführte Werke. Komponisten, die zeitlich oder geografisch miteinander verbunden waren, hatten die Geschwister zusammengestellt.
So stammten Eduard Tubin und Arvo Pärt aus Estland, während Robert Schumann und Michail Glinka jeweils zur gleichen Zeit lebten. Eine echte Entdeckung war die Sonate für Viola und Klavier, deren Urheber Tubin (1905 bis 1982) hierzulande kaum bekannt ist. Das eröffnende »Allegro molto moderato« erwies sich mit der pulsierenden Klavierbegleitung als schicksalhaft-ernste, grotesk anmutende Musik. Das Duo konfrontierte die Hörer schonungslos mit den seelischen Abgründen. Die innere Unruhe steigerte sich im folgenden »Allegro vivace« noch - als versuche jemand, aus einer misslichen Lage auszubrechen. Recht ungewöhnlich: An den Schluss gestellt war ein Largo, das keine Erlösung brachte, vielmehr an ein schwermütiges Personenporträt erinnerte. Fließend ließ das Duo die Musik ausklingen. Der Schmerz verschwand erst in der angefügten Pastorale.
Poetische Zwischentöne
Im Gegensatz dazu stehen Robert Schumanns »Märchenbilder« op. 113 häufig auf Konzertprogrammen. Das Vermögen des Duos, den Charakterstücken poetische Zwischentöne zu entlocken und unterschiedliche Stimmungszustände zu zeichnen, beeindruckte auch hier. Ansprechend eingefangen schien etwa im Eröffnungsstück die Sehnsucht. Energisch die zweite Nummer mit der drängenden Bewegung. Wie schon beim Winterkonzert-Debüt der Geschwister vor gut neun Jahren bestach die Genauigkeit im Zusammenspiel; perfekt die klangliche Balance. Da musizierte ein Duo, das hellwach aufeinander einging und am selben Strang zog.
Bildeten die ersten drei Stücke eine musikalische Steigerung, so verströmte die letzte Nummer Gedankenversunkenheit. Mit einem Mal löste sich die Spannung. Faszinierend, welch Reichtum an Nuancen sich in der kantablen Interpretation heraushören ließ.
Äußerste Reduktion der Elemente kennzeichnete nach der Pause Arvo Pärts »Fratres«. Der Avantgardist Pärt stieß einst auf Widerstand der sowjetischen Musikkritik, ist aber heute sehr populär.
In »Fratres« entfaltet er seinen 1976 eingeführten, das Schlichte und formal Strenge vereinenden »Glöckchenstil«. In der vergeistigten Musik schienen herkömmliche Zeitmaßstäbe aufgehoben - frei von Emotionen diente sie zur Besinnung.
Füllhorn schöner Melodien
An den Schluss des hörenswerten Konzerts gestellt war Michail Glinkas unvollendete Sonate d-Moll. Die barg ein Füllhorn schöner Melodien und einen fesselnden kompositorischen Aufbau. Wunderbar fließend geriet die Darbietung. Katharina und Konstantin Sellheim gestalteten die Übergänge vorausschauend und versetzten die zahlreichen Besucher in Begeisterung. Sie verabschiedeten sich mit einem Fantasiestück von Schumann als Zugabe. Sascha Jouini