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Eritrea-Demo verläuft friedlich

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Von: Kays Al-Khanak

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Viele Teilnehmer kritisieren den Grünen-Politiker Klaus-Dieter Grothe. © Harald Friedrich

Die Demonstration von Unterstützern des Regimes in Eritrea ist am Donnerstag friedlich verlaufen. In der Spitze waren bis zu 700 Menschen vom Bahnhof bis zum Rathaus am Berliner Platz gezogen. Immer wieder skandierten die Teilnehmenden aus ganz Deutschland Parolen gegen den Grünen-Politiker Klaus-Dieter Grothe.

Der Mann, dem viele der 700 Demonstranten am Donnerstag ihre Parolen oder Schilder widmen, ist gar nicht da - auch nicht im Stadtparlament, das abends im Rathaus tagt. Dennoch rufen die Teilnehmer der von Unterstützern des eritreischen Regimes organisierten Kundgebung »Grothe muss weg«. Sie machen den Grünen-Politiker Klaus-Dieter Grothe verantwortlich für die Gewalt am Rande einer Veranstaltung des eritreischen Konsulats in den Hessenhallen am 20. August. Dort hatten mutmaßliche Regime-Gegner Besucher und Helfer des Events angegriffen und viele Menschen verletzt. Die Polizei konnte die Gewalt stoppen und sagte die Veranstaltung ab. Grothe, der Teilnehmer einer friedlich verlaufenden und an der Schlachthofstraße gestoppten Gegendemonstration war, hatte in den sozialen Medien die Absage als »Sieg für Gerechtigkeit und Demokratie« bezeichnet und sich später entschuldigt, nicht die Gewalttaten verurteilt zu haben.

Parolen gegen Grünen-Politiker

Um 13.07 Uhr kommen die ersten Demonstrationsteilnehmer auf dem Bahnhofsvorplatz an, eine Gruppe aus München mit eritreischen Fahnen. Bereits zu dieser Uhrzeit treffen sie auf ein Großaufgebot der Polizei (siehe weiteren Bericht). Den Teilnehmenden aus Bayern folgen laut Polizeiangaben bis zu 700 Menschen. Sie kommen aus ganz Deutschland. Und das zeigen sie mit Plakaten, auf denen Karlsruhe, Kaiserslautern, Köln oder Pforzheim steht. Um 14.03 ruft ein Mann diese und weitere Städtenamen auf, und sogleich stellen sich die Angesprochenen in einer Schlangenlinie auf, bevor der Demo-Zug um 15.28 Uhr langsam startet.

Egal, aus welcher Stadt sie kommen: Die Demonstranten haben zahlreiche Schilder dabei mit Parolen wie »Schluss mit der Dämonisierung Eritreas«, »Gerechtigkeit jetzt«, »Grothe skandiert, Schlägertruppe randaliert«, »Grothe muss weg« bzw. »Kein Amt für Hetze. Dr. Grothe muss weg« oder »Gewalt darf nicht konsequenzenlos bleiben«. Manche tragen T-Shirts mit dem Konterfei von Isayas Afewerki, der das afrikanische Land seit fast 30 Jahren regiert. Ein Mann hat ein gerahmtes Bild von seinem Präsidenten dabei, den Regimegegner als Diktator bezeichnen.

Bei dem Demo-Zug wechseln sich deutsche Redebeiträge mit Parolen auf Tigrinya, der Hauptsprache Eritreas, ab. Die Menschen rufen »Schluss mit der Dämonisierung Eritreas«, sie skandieren immer wieder »Grothe, du musst weg« oder »Grothe ist ein Hetzer«. Ein Redner sagt, die Gewalttaten am 20. August richteten sich »gegen unsere Politik, gegen unseren Präsidenten, gegen unsere Menschen«. Er betont außerdem: »Ich schäme mich für Gießen wegen des 20. August«. Vereinzelt hört man auch »Danke CDU«-Rufe; die Christdemokraten haben die Gewalttaten zum Thema im Stadtparlament gemacht. Ein anderer Redner übt Kritik an der Berichterstattung über den 20. August. Die werde von der Politik beeinflusst. Die Stadt solle die Journalisten »in die Schranken weisen«.

Die Demo führt über die Bahnhofstraße und den Marktplatz, über die Neuen Bäue zum Rathaus. Dort dünnt sich die Demo aus; Beobachter des Ordnungsamts schätzen, dass zu diesem Zeitpunkt noch bis zu 400 Teilnehmer dabei sind. Während oben die Stadtverordneten tagen, die zuvor über einen Hintereingang ins weiträumig abgesperrte Rathaus gelangt sind, fordern Redner die Stadt auf, Position zu beziehen, »damit so etwas wie der 20. August nicht mehr vorkommt«.

Irene Hoffmann vom Ausländerbeirat der Stadt, die mit dem Vorsitzender Zeynal Sahin und seiner Vize, der Eritreerin Eden Tesfaghioghis; auf der Bühne steht, zeigt sich »geschockt und traurig, dass unsere ehrenamtliche Arbeit durch den Überfall Schaden nimmt«. Sie fordert »politische und strafrechtliche Konsequenzen«. Als sie von einem Journalisten gefragt wird, ob sie glaube, dass Eritrea ein freies Land ist, sagt sie, sie wolle dazu keine Stellung nehmen. Es gehe heute nur um den 20. August.

Außerdem liest ein Mann einen offenen Brief vor, der von Mitgliedern der eritreischen Gemeinde an Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher am Rande der Demo übergeben worden war. Darin fordern sie unter anderem, dass die Stadt die Gewalttaten vom 20. August verurteilen müsse.

Zwei mutmaßliche Angreifer vor Ort

Eine Frau aus Gießen, aktiv in der eritreischen Gemeinde, betont: Die Eritreer hätten 30 Jahre lang für ihre Freiheit gekämpft. »Mag sein, dass es dort keine Wahlen gibt, aber die Leute dort denken nicht an Demokratie, wenn sie weder im Frieden noch im Krieg leben.« Und: »Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.«

Um 18.28 Uhr zieht die Demonstration über die Südanlage und die Frankfurter Straße zurück zum Bahnhof. Dort erklärt der Versammlungsleiter die Demo um 19.20 Uhr für beendet. Die Polizei teilt mit, dass sie friedlich verlaufen sei. Bei einer Kontrolle hätten Polizeikräfte jedoch zwei bislang nicht identifizierte Personen erkannt, die mutmaßlich an den Angriffen am 20. August beteiligt gewesen seien. Die beiden 28 und 31 Jahre alten Männer aus dem Kreis Gießen hätten einen Platzverweis für die Innenstadt erhalten.

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Bis zu 700 Menschen aus ganz Deutschland nehmen an der Demonstration von Unterstützern des eritreischen Regimes in Gießen teil. FOTO:S FRIEDRICH © Harald Friedrich

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