Erinnern im »Areal Markelius«

Für die Ausstellung »Several Ours (Rewriting Cracks)« wird das KiZ umbenannt in AMAG. Im »Areal Markelius - Abteil für Gegenwart« zeigen Max Johnson und Noah Evenius Installationen, Videoarbeiten, Fotografien und Skulpturen zum Themenbereich Erinnerung. Auch mit Performance und Publikation wird der Kongresshallenraum zum Ort zwischen Archiv und Baustelle.
So viel ist sicher: Wer in den nächsten Wochen das KiZ möglichst vom Japanischen Garten aus betritt, wird sich zunächst wundern, ob denn hier tatsächlich, wie angekündigt, eine Ausstellung zu sehen ist. Der Raum wirkt auf den ersten Blick fast leer. Ein Schriftzug an der Tür macht deutlich, dass hier AMAG, das »Areal Markelius - Abteil für Gegenwart« eingezogen ist. Noah Evenius und Max Johnson haben es eingerichtet und befassen sich in ihrer Ausstellung »Several Ours (Rewriting Cracks« mit dem Erinnern an sich, den Momenten der Einschreibung, aber auch den Formen des Erinnerns - und das in Bezug zu dem städtischen Ausstellungsraum, den Sven Markelius 1961 entworfen hat.
Ausstellung, Buch und Performance
Man sollte sich nicht von dem vielleicht etwas sperrig wirkenden Titel und der scheinbaren Leere im Saal täuschen lassen. Was die beiden Mitte der 90er Jahre in Gießen geborenen und in Leipzig lebenden Künstler - Noah Evenius studiert bildende Kunst an der Kunstakademie Münster, Max Johnson bildende Kunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig - in dieser Gruppenarbeit zeigen, ist durchaus auch als Hommage an die Kongresshalle und deren Architekt Sven Markelius zu verstehen. Unterstützt von Kunstpädagoge und Kurator Markus Lepper erhebt die Schau Objekte aus der Kongresshalle in den Stand eines Kunstwerks - und das in einer Zeit, in der die bis ins Detail durchkomponierte Architektur des 1961 entworfenen Gebäudes erst langsam wieder geschätzt wird.
Ein Tisch aus den ehemaligen Morunger Stuben bietet nun stählernen Aktenordnern Platz, in denen Max Johnson Fotografien von seinen eigenen Lebensorten gesammelt hat und die die Besucher durchblättern können. Die unverwechselbaren Bänke der Kongresshalle - allerdings Replikate der einst von Markelius entworfenen Inneneinrichtung - sind mit Bedacht aufgestellt. Die Sitzgelegenheiten dienen auch als Sichtachsenführung. Sie choreografieren Bewegungen und Blicke durch den Raum, etwa zu den ehemaligen Schaukästen der Touristinformation, als die noch direkt als Anbau vor der Kongresshalle stand. An Garderobenständern hängen zudem blaue Arbeitskittel mit dem AMAG-Aufdruck. Diese werden die Aufsichten vom Verein Ehrenamt während ihrer Schichten tragen.
Im Untergeschoss wird der Raum endgültig als Ort zwischen Archiv und Baustelle erkennbar. Dort sieht man acht Stützpfeiler - liegend, stehend oder zwischen zwei Pfeiler gespannt. Wer näher tritt, erkennt darauf per Hand mit Dremel eingravierte Sätze. Mit Pferdesalbe eingerieben verbreiten die metallenen Stützen zudem einen Duft im Raum, denn schließlich können auch Gerüche Erinnerungen auslösen. »Die Pfeiler sind die zentrale Arbeit der Ausstellung«, betont Max Johnson. »Sie definieren den Raum.«
Unter der hölzernen Freitreppe hängt eine Rolle Fußbodenbelag, die dem tatsächlich verlegten stark ähnelt und auf die Videos projiziert werden. Noah Evenius erzählt von einem Ortstermin mit dem Handwerker, der seine ganz eigene Erinnerung an diesen besonderen Verlegeeinsatz hatte. Es sind diese Momente der Einschreibung von Erinnerungen, die den Künstler reizen.
Dass Erinnern auch viel mit Gefühlen und Sinneneindrücken zu tun hat, verdeutlicht ein Stück Naturlatex, in das Strukturen aus dem Raum, etwa Schnittkanten im Bodenbelag, eingedrückt sind und das beim Rascheln mit der Akustik im Raum spielt. Auch im Obergeschoss hängende blaue Silikonbeutel, aus denen Besucher Wasser zum Gurgeln abzapfen können, gehören in diese Kategorie sinnlicher Erfahrungen.
Der Raum und die Erinnerungen
Beides wird am 16. September Teil der performativen Intervention »Sound of Memorybanks« von Deva Schubert und Noah Evenius sein, die den Ram in ein »neues Wahrnehmungssetting verschiedenster Sinne« verwandeln werden. »Begleitet von Gerüchen entsteht aus einer Komposition von Bewegungen, Objekten und Wasser ein akustisches Feld, das mit der Architektur und der Ausstellungslandschaft vor Ort in Resonanz tritt und diese neu aktiviert.«
Zur Ausstellung erscheint zusätzlich eine Publikation als eigenständiges Werk mit experimentellem Charakter als Zusammenspiel verschiedener Texte, Archivmaterialien, Ausstellungsansichten und Prozessdokumente. Gestaltet wird dieses Buch von den beiden Grafikern Nelly Nakahara und Gerrit Brocks.