Enormer Kreativitätsschub

Der Untere Hardthof hat sich in diesem Sommer zu einem echten kulturellen Zentrum entwickelt. Nach diversen Ausstellungen und Performances sowie dem ARThof-Fest am vergangenen Wochenende, gibt es ab heute wiederum Anlass, dorthin zu gehen, um Kunst zu bestaunen.
Studierende der Justus-Liebig-Universität Gießen vom Institut für Kunstpädagogik, zeigen im Unteren Hardthof Seminarergebnisse zum Thema Zeichnung. Das Seminar der künstlerischen Gastprofessorin Adriane Wachholz hatte das Thema »Zeichnung auf Abwegen«. Gemeint ist das Zeichnen abseits herkömmlicher Standards, also mit anderen Materialien und in die dritte Dimension übergehend. Das brachte eine deutliche Erweiterung des eigenen Horizonts und einen enormen Kreativitätsschub, so die Studierenden. Dazu kam die Möglichkeit einer Ausstellung im Unteren Hardthof, dessen Kombination von Galerie und Gewölbekeller zum Ausstellungstitel »Aufgrundtief« inspirierte.
Kunst bis in die Tiefen des Kellers
Einige aus der Gruppe sind seit Anfang der Woche bei der Arbeit. Die Vorbesichtigung lässt bereits Großes erahnen, der Ausstellungsrundgang führt bis in die hintersten Kellerräume. Beteiligt sind 15 Studierende, eine Doktorandin und die Seminarleiterin selbst. Vor allem im Gewölbekeller reagieren die Beteiligten auf die Räume mit ihrem variationsreichen Mauerwerk, auf deren Kälte und Dunkelheit. Thematisch spannt sich der Bogen von kulturgeschichtlicher Betrachtung über Naturbeobachtung bis hin zu Umweltproblemen.
In der Galerie lässt Anna-Lena Hamperl weiße Papierstreifen wie einen Vorhang von oben herabwehen, die Zeichenspuren darauf stammen von Nähstichen.
Sascha Chernova ist fasziniert von Holzstrukturen, sie zeigt eine Serie von Baumrinden-Frottagen und Bretter, bei denen sie vorhandene Maserungen malerisch hervorgehoben hat. Doktorandin Xiaoying Zhu verbindet die chinesische Tradition der bildhaften Schriftzeichen mit malerischer Abstraktion, hängt mehrere Papierfahnen hintereinander, sodass räumliche Effekte entstehen.
Hermann Böhler war in der Vorbereitung seines Gondoliere-Papierschnitts, der eigentlich ein Selbstporträt, stehend mit Paddel in der Hand, darstellt. Die Präsentation im Keller wird zu einer beleuchteten Installation, bei der die Figur inmitten roter Wellen von einer über Kopfhöhe liegenden Treppe herab auf den Kellerboden zu navigieren scheint. Im Kellerraum ringsum hat Karolina Littwin handtellergroße Spinnen mit der Heißklebepistole an den Wänden befestigt. Sie alle streben einem vermeintlichen Ausgang zu, was ihre Not in Klimabedrängnis zeigen soll.
Die abzweigenden Kellerräume sind von je einer Künstlerin besetzt. Diana Reiter hat gedrehte Papierstreifen in rotes Wachs getaucht und befestigt diese an der hohen Schmalwand, analog zum feinen Wurzelwerk an der Eingangswand.
Bananen und weite Transportwege
Helena Steffes kombiniert schwarze Dachpappe mit grünem Stoff, der vermeintlich aus dem harten Untergrund hervorbricht. Auch dies eine Form der Naturnachahmung mit künstlerischen Mitteln. Im Raum gegenüber hat Nora Kallenbach eine Windschutzscheibe herabhängend montiert, darauf sind Bananen in verschiedenen Reifegraden gemalt. Sie will auf das Problem des weltweiten Transports von Tonnen an Früchten und Gemüsen hinweisen, von denen fast ein Drittel weggeworfen wird.
Adriane Wachholz hat für ihren Raum eine starke Setzung geschaffen. Ein großes, mit Schraffuren bemaltes Dreiecksegel hängt von der Wand, findet auf dem Boden seine Fortsetzung mit undefinierbaren gelb-fedrigen Elementen. Von der Ferne ähnelt es einer Sanduhr, die den Austausch von Materie symbolisiert, zugleich Raum und Zeit benennt.

