Eine Oratorien-Sternstunde

Jubel aus voll besetzten Reihen gab es am Ende einer Aufführung von Georg Friedrich Händels Oratorium »Messiah«. Die Kantorei unter Christoph Koerber, das Main-Barockorchester und renommierte Solisten sorgten in der Johanneskirche für eine Oratorien-Sternstunde.
Die Sternstunde in der Johanneskirche umfasste konkret zwei Stunden und zwanzig Minuten musikalischen Hochgenusses - so voller Spannung und musikalischer Tiefe, dass die Zeit wie im Fluge verstrich. Für eine höchst beeindruckende Wiedergabe von Georg Friedrich Händels »Messiah« sorgten am späten Sonntagnachmittag die hauseigene Kantorei, das Frankfurter Main-Barockorchester sowie vier profilierte Solisten.
Herzen und Ohren waren hingerissen
In nur 24 Tagen hat Händel 1741 das dreiteilige Opus um die christliche Heilsgeschichte mit Texten von Propheten und Evangelisten geschaffen. Es vergegenwärtigt die Prophezeiung, die Geburt, das Leben Jesu bis zum Kreuzestod und die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi. 1742 in Dublin uraufgeführt, kommentierte die Presse den Erfolg des »new sacred oratorio« mit begeistertem Lob. Die instrumentell etwas erweiterte Londoner Aufführung folgte ein Jahr später.
Die aktuelle Gießener Darbietung konnte im Wortsinne des Uraufführungslobs das entzückte Herz und Ohr hinreißen und bezaubern. Schon der verhaltene Beginn ließ die fein ziselierenden Klänge des Main-Barockorchesters erahnen. Das Ensemble unter der Leitung des Geigers Martin Jopp ist in diesem Gotteshaus heimisch durch regelmäßige Auftritte. Mit der optimierten Akustik des Raumes bestens vertraut, sorgte das Orchester mit seiner historisch orientierten Praxis für ein höchst differenziertes Klangbild. Das fügte sich dank der sorgfältigen Chorarbeit des Kantors zu einer sich ergänzenden Einheit. Christoph Koerber hatte die vielfältigen und ausdrucksstarken Elemente stets souverän im Griff. Der lautmalerische Charakter des altertümlichen Englischs kam sowohl in den Chorpassagen als auch bei den Soli sauber artikuliert bis in die letzten Reihen herüber.
Die musikalische Farbpalette der Stimmungen lebt vom Wechsel. Sowohl heiter-festliche Töne etwa im 11. Chorus (»Wonderful, Counsellor, the Mighty God«), der einen ergreifenden Kontrast zum vorangegangenen düsteren »The people that walk in darkness« bot, als auch die lyrische Erzählung des Tenors vom Leiden Christi im 2. Teil machten das Hörerlebnis lebendig. Zu den Höhepunkten in Dichte und zupackender Intonation von Chor und Orchester gehörte natürlich das berühmte »Hallelujah« am Schluss des 2. Teils, das in seiner strahlenden Steigerung voll ausgekostet wurde bis hin zum Decrescendo-Schluss.
Sopranistin Simone Schwark gefiel mit beweglichen Koloraturen (Arie »Rejoice greatly«) und tremolo-reduziertem Barockton. Zusammen mit dem Countertenor Daniel Hagemann gestaltete sie ein lieblich schwingendes Duett über den »Guten Hirten«. Hagemanns Alt-Part kam in der etwas kräftigeren Männerstimme gut, aber nicht durchweg ausgewogen zur Geltung. Tenor Georg Poplutz als geübter Barock-Interpret beherrschte seine Soli voller Wärme und mit angemessenem Ausdruck. Seinen tragenden Bass ließ Danylo Matviienko expressiv leuchten; überragend die Interpretation »Why do the nations so furiously rage«. Dieser Psalmtext erhielt besondere Bezüge zur Gegenwart: Der ukrainische Sänger, Mitglied des Frankfurter Opernhauses, war 2014 aus dem Donbass geflohen.
Die spannungsreiche Aufführung hatte im machtvollen Schlusschor »Worthy is the Lamb« und dem »Amen« einen gelungenen und würdigen Abschluss.
Unter dem Stichwort himmelhoch-giessen war die Aufführung als Benefizkonzert für eine neue Orgel an Stelle des in die Jahre gekommenen Johanneskirchen-Instruments gedacht. Im Vorfeld gesponsert von einer hessischen Bank, konnte der Erlös an diesem Abend ergänzt werden: Es gab nach dem Musikgenuss trinkbaren Ausklang in Form von »Orgelwein« und für eventuell kalte Füße schöne farbige »Orgelsocken« zu erwerben.