Ein zweites Zuhause

Seit es Tagesstätten für Senioren gibt, muss niemand mehr alleine zu Hause sitzen. Die AWO war 1996 Vorreiter mit diesem Angebot. 2011 zog die Tagesstätte Heinrich-Albertz vom Tannenweg nach Kleinlinden. Einrichtungsleiterin Martina Wallwaey sagt zum 10-jährigen Bestehen: »Unser Haus ist eine Bereicherung für die Senioren und eine Entlastung für Angehörige.
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Jeder hat seinen Stammplatz am Mittagstisch, seinen Lieblingssessel zum Ausruhen, seine Decke und seine Tasse. Es ist vertraut wie zu Hause, doch einen großen Unterschied gibt es: Daheim ist niemand, mit dem man sprechen kann, der Lust auf ein Kartenspiel oder einen Spaziergang hat. In der Heinrich-Albertz-Tagesstätte für Senioren haben die Gäste immer Gesellschaft, aber sie können sich auch zurückziehen, wenn ihnen danach ist. Die Einrichtung, so sagt es Martina Wallwaey nach zehn Jahren Erfahrung, ist ein Segen für alle Beteiligten: Für die berufstätigen Angehörigen ist es eine Entlastung, Mutter oder Vater tagsüber gut versorgt zu wissen. Und die Partner demenzkranker Senioren können die Zeit nutzen, um die eigenen Ressourcen zu schonen und Energie zu tanken.
Die Senioren selbst erleben die Tagesstätte als anregende Abwechslung. »Viele sind anfangs skeptisch und fühlen sich dann sehr wohl bei uns«, sagt Wallwaey. Deshalb ermuntert die Leiterin immer dazu, sich die Einrichtung anzuschauen und »Schnuppertage« zu nutzen. Und zwar frühzeitig und nicht erst wenn die Senioren bereits in psychisch und physisch instabiler Verfassung sind. Je vitaler sie sind, desto größer ist die Chance, dass sie die Tagesstätte als zweites Zuhause wahrnehmen. »Hätte ich gewusst, dass es hier so schön ist, wäre ich zehn Jahre früher gekommen«, hat kürzlich eine alte Dame gesagt.
Ein Tag in der Einrichtung besteht aus gemeinsamen Mahlzeiten und einer Vielzahl verschiedener Aktivitäten: Musizieren, erzählen, basteln, handwerken oder kochen, Gymnastik, Einkäufe, Spaziergänge und vieles mehr. Ziel aller Angebote ist es, die Menschen darin zu unterstützen, fit zu bleiben für ein langes, eigenständiges Leben. Sturzprophylaxe spielt dabei eine große Rolle, denn häufig sind Verletzungen durch Stürze der Grund dafür, nicht mehr in der eigenen Wohnung leben zu können.
Durch die aktivierende Unterstützung der AWO-Mitarbeiterinnen gelingt es häufig, den Umzug in ein Pflegeheim zu verzögern oder ganz zu vermeiden. »Es geht in der Tagespflege nicht einfach darum, die Senioren zu verwahren, sondern wir haben ein qualifiziertes Team mit einem klaren Konzept«, verdeutlicht AWO-Geschäftsführer Jens Dapper. Er ist stolz darauf, dass die Arbeiterwohlfahrt schon vor vielen Jahren den Bedarf erkannt und ein fortschrittliches Angebot entwickelt hat, das in dieser Form in der Region nicht oft zu finden ist. Die Tagespflege, die sich an Menschen mit und ohne dementielle Erkrankungen richtet, ist ein Modul innerhalb der AWO-Angebote für Senioren: Es gibt Hilfen im Haushalt, Essen auf Rädern, ambulante Pflege sowie Kurzzeit- und stationäre Pflege.
Die Gäste kommen ein- bis fünfmal pro Woche in die Tagesstätte, der hausinterne Hol- und Bringdienst sorgt dafür, dass die Fahrten stressfrei verlaufen. Die Anzahl der Besuchstage richtet sich nach den Wünschen der Senioren und nach der Finanzierbarkeit. Die Finanzierung ist nach dem Pflegestärkungsgesetz von 2017 einfacher geworden, denn Menschen mit einem Pflegegrad von eins bis fünf, die zu Hause versorgt werden, können einen Entlastungsbeitrag von 125 Euro pro Monat beantragen. Mit diesem Geld können Leistungen der Tagespflege abgerechnet werden. Nach wie vor, bedauert Wallwaey, nehmen Angehörige diesen Beitrag zu selten in Anspruch.
Während der Pandemie war die Einrichtung eine Zeit lang geschlossen, doch während des laufenden Betriebs ist es gelungen, Corona-Erkrankungen zu vermeiden. Derzeit läuft bei Pflegekräften, Betreuern und Gästen die dritte Impfung.
Auch die Wahl der Nachbarschaft ist ein Teil des Konzeptes: In dem barrierefreien Gebäude am Rande Kleinlindens befindet sich eine Kindertagesstätte und eine Tagesstätte der Lebenshilfe. Gegenseitige Besuche (außer in der CoronaZeit) gehören zum Alltag: Kinder flitzen mit ihren Bobbycars durch die Flure, sie kommen zum Malen oder Basteln vorbei. Das 10-jährige Bestehen des Hauses wird in kleiner, vertrauter Runde gefeiert. Alle sind froh, dass dies überhaupt wieder möglich ist.