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Ein Gefühl für Gäste und Geselligkeit

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Von: Marc Schäfer

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Panagiotis Michailidis, den im »Knossos« jeder nur Panos ruft, ist seit 28 Jahren in dem Restaurant an der Lahn beschäftigt. Bereut hat er das noch keinen einzigen Tag. © Oliver Schepp

Seit 28 Jahren kellnert Panagiotis Michailidis im »Knossos« an der Lahn. Ans Aufhören denkt der 68-Jährige nicht. Warum auch? Der fröhliche und zugewandte Menschenfreund liebt seinen Job, die Gäste und die Geselligkeit. Auch nach Feierabend.

Panagiotis Michailidis ist kein Freund großer Worte. Vor allem dann nicht, wenn es um ihn selbst geht. Der 68-jährige Kellner des »Knossos« ist bescheiden, um sich und seinen Stellenwert in dem Lokal, an der Lahn, in dem er seit 28 Jahren arbeitet, macht er kein großes Aufheben. »Chefkellner? Nein, nein, schreib das nicht. Das mag ich nicht, Chefkellner will ich nicht sein. Ich bin der älteste Kellner hier. Das kannst du schreiben«, sagt Michailidis, der im »Knossos« und der ganzen Stadt eigentlich nur Panos gerufen wird.

»Ich mag meine Gäste, und sie mögen mich. Fertig. Mehr gibt’s da nicht«. Das sagt Michailidis, wenn er über seine Qualitäten als Gastgeber sprechen soll. Doch ganz so einfach ist das nun auch wieder nicht. Seine Lebensgefährtin Nurdan Tokmak, die beiden haben sich natürlich im »Knossos« kennengelernt, beschreibt Michailidis als »fröhlich, liebevoll und vertrauenswürdig«. Sein Chef Petro Kamargiannis sagt über ihn, er ist »herzlich, zuverlässig und loyal. Ich muss das wissen, denn nach 28 Jahren kenne ich ihn besser als seine Frau«.

Rührende

Bewertung

Das Lob freut den Kellner sehr. Doch als er neulich auf der Facebookseite des Restaurants gelesen hat, was seine Gäste über ihn denken, da hat es ihn fast umgehauen. »Das freundliche und fröhliche Urgestein«, ist dort über ihn zu lesen, oder »weltbester Gastgeber«, »ein lieber und herzlicher Mensch«, »schon seit Jahren unser Lieblingskellner«. Ein Gast stellte dort sogar in Aussicht, seine Kinder nach ihm zu benennen. Doch auch wenn er es wahrscheinlich nicht gemacht hat, zeigt es die Hochachtung, die die Gäste des »Knossos« vor dem Kellner haben.

Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Menschlichkeit - darauf legt Michailidis großen Wert. Im Privatleben, aber auch im Job. »Die Wärme zwischen den Menschen ist mir wichtig. Es ist schade, wenn das in der Hektik des Alltags verlorengeht«, sagt er. Um sie sich zu bewahren, hat Michailidis schon vor Jahren einen Gang zurückgeschaltet. Er rennt nicht mehr von Tisch zu Tisch, er geht in seiner eigenen Weise durch das Lokal. Dabei hat er alles im Blick. »Ich achte darauf, wie es den Menschen geht und ob ihnen etwas fehlt. Man benötigt Fingerspitzengefühl für die Gäste und die Situation«, stellt Michailidis klar. Beim ersten Date mit einer Frau lässt er den Mann am Tisch gut aussehen. Wenn sich Geschäftsleute zu einem Vertragsabschluss im »Knossos« treffen, sorgt er dafür, dass sie in Ruhe verhandeln können. Die Nähe sorgt aber auch dafür, dass Michailidis manchmal traurig ist. Zum Beispiel wenn er erfahren hat, dass ein Stammkunde verstorben ist. »Das nimmt er lange mit nach Hause«, sagt seine Lebensgefährtin.

Michailidis ist ein Menschenfreund. Er liebt die Gesellschaft. Auch abends wenn er nach einem harten Tag im Lokal nach Hause kommt. »Einsamkeit oder Zweisamkeit braucht er nicht. Er genießt es, wenn der ganze Tisch voller Freunde sitzt und er noch schnell etwas kochen kann«, erzählt Tokmak. Im »Knossos« hat Michailidis immer ein Lächeln im Gesicht und ein Spruch auf den Lippen - so wie diesen: »Wenn du als Kellner traurig guckst, wie soll der Gast dann Appetit bekommen?«. Michailidis lacht.

Harte Schläge

des Schicksals

Dass er Traurigkeit nicht leiden kann, liegt vielleicht auch an seiner Lebensgeschichte. Er ist in Griechenland aufgewachsen, eine Weile ohne seine Eltern, die damals schon in Wetzlar lebten. Im Alter von 16 Jahren ist er nach Deutschland gekommen. Nur zwei Jahre später starb sein Vater. Das Herz. Viel zu früh. Michailidis musste bald mit dafür sorgen, dass die Familie gut durchs Leben kam. Er arbeitete als Kfz-Mechaniker und später bei Wilhelmi in Lahnau. In dieser Zeit lernte er die Mutter seiner zwei Kinder kennen, die heute 28 und 40 Jahre alt sind. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. Als seine jüngste Tochter vier Jahre alt war, verstarb seine Frau. Da er sich neben der vielen Arbeit nicht gut genug um sein Mädchen kümmern konnte, gab er es zu einer Tante nach Griechenland. Sie fehlte ihm sehr.

In die Gastronomie kam Michailidis zufällig, durch seine beiden Freunde Petro Kamargiannis und Giannis Soulos. Erst jobbte er nur nebenher, doch da er nach harten Abenden im Lokal morgens regelmäßig zu spät zur Arbeit bei Wilhelmi kam, entschied er sich, komplett auf das »Knossos« zu setzen und hauptberuflich zu kellnern. Das war vor 28 Jahren. Ans Aufhören denkt Michailidis nicht. »Solange es mir Spaß macht, bleibe ich hier«, sagt er. Und solange sich der Spaß auf seine Gäste überträgt, lassen die den »weltbesten Kellner« sicherlich auch sowieso nicht in den Ruhestand gehen.

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