Ein Fall für den Denkmalschutz

Der Tag des offenen Denkmals findet seit 1993 auf Initiative der Deutschen Stiftung Denkmalschutz statt. Jeweils am zweiten Sonntag im September und mit einem wechselnden Motto. In diesem Jahr geht es detektivisch zu.
KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz« lautet in diesem Jahr das Motto des Tages des offenen Denkmals am Sonntag, 11. September. Ermittelt werden Geschichte und Geschichten am Denkmal. Zentrale Fragen sind: Welche Erkenntnisse und Beweise lassen sich durch die Begutachtung der originalen Denkmalsubstanz gewinnen? Welche Spuren hat menschliches Handeln hinterlassen? Welche »Taten« wurden im und am Bau verübt? Und welche Schlüsse zieht die Denkmalpflege daraus? Erkenntnisse lassen sich gewinnen über historische Narben, Ergänzungen und Weiterentwicklungen am Bauwerk. Auch Aussagen über Bewohner und Nutzer lassen sich darüber treffen. Das Denkmal selbst kann aber auch zum Opfer werden. Um Kulturspuren am Denkmal systematisch zu untersuchen, bedarf es vieler Experten.
In Gießen beteiligen sich der städtische Denkmalschutz und mehrere Vereine. Alle öffnen ihre Gebäude bzw. Liegenschaften für die Öffentlichkeit, bieten Führungen an und beantworten Fragen. Teilweise helfen historische Pläne und Fotografien bei der Veranschaulichung. Die Untere Denkmalschutzbehörde lädt wieder ein zu Führungen in der Schiffenberg-Basilika und auf dem Alten Friedhof.
Schiffenberg - Auf dem Schiffenberg ist noch ein besonderer Anlass zu würdigen: Er ist seit 50 Jahren im Besitz der Stadt. Dazu gibt es am Vormittag eine Vortragsveranstaltung mit Musik von Cordula Poos an der Harfe. Dezernentin Astrid Eibelshäuser stellt bei ihrer Begrüßung die Bedeutung des Schiffenbergs für die Stadt Gießen heraus. Henriette Stuchtey von der Unteren Denkmalschutzbehörde widmet sich den vergangenen 50 Jahren mit Blick auf Erhalt und Nutzung des Kulturdenkmals Schiffenberg. Und Manfred Blechschmidt, der ehemalige Stadtarchäologe, erinnert an die archäologischen Grabungen auf dem Schiffenberg ab 1972 bis in die jüngste Zeit.
Im Anschluss folgt eine Führung mit Gästeführerin Dagmar Klein zum Thema »Basilika auf dem Schiffenberg - Ein nationales Baudenkmal«, Treffpunkt ist vor der Basilika, ohne Voranmeldung.
Die Basilika ist an diesem Tag bis 18 Uhr geöffnet. Sie ist ein gutes Beispiel für das diesjährige Motto KulturSpur. Das Gebäude wurde vor und während der Restaurierung 2011 bis 2015 von mehreren Gutachtern untersucht. Unter anderem wurde festgestellt, dass das Holz des Daches über dem Vierungsturm aus der Bauzeit stammt, also aus dem 12. Jahrhundert. Es ist das älteste erhaltene Dachwerk im deutschsprachigen Raum. 2012 erfolgte die Anerkennung der Basilika als Nationales Baudenkmal. Die Restaurierung wurde 2016 mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis gewürdigt.
Alter Friedhof - Pflege und Erhalt des Alten Friedhofs liegen in städtischer Hand. Seit 1979 finden Maßnahmen zur Restaurierung der Grabdenkmäler statt. Das reicht von der Komplettkonservierung in einer Werkstatt über das Verbringen in einen geschützten Innenraum bis zur Restaurierung vor Ort. Auf einem gut einstündigen Rundgang werden die verschiedenen Maßnahmen an Beispielen vorgestellt. Das Gelände ist ganztägig geöffnet. Die Führung mit Dagmar Klein beginnt um 18 Uhr, Treffpunkt ist auf dem Friedhof, beim Eingang Licher Straße, ohne Voranmeldung
Liebig-Museum - Am Tag des offenen Denkmals öffnet das Liebig-Museum nach zwei Jahren Pause wieder seine Türen für die Öffentlichkeit. Hier hat Justus Liebig, der wohl bedeutendste deutsche Chemiker, geforscht, gelehrt und gewohnt (1824 bis 1852). Der klassizistische Bau war ursprünglich eines der beiden Wachhäuschen der 1818/1819 errichteten Neuen Kaserne auf dem Seltersberg. Der auf Betreiben Liebigs zweimal erweiterte (1833/34 und 1839) Bau ist mit seiner Schmalseite zur Straße hin orientiert. Seit 1920 ist das Museum in der Trägerschaft der Liebig-Gesellschaft und ein wichtiger Ort der Wissenschaftsgeschichte.
Von Freitag bis Sonntag können Besucher das original erhaltene Laboratorium von Justus Liebig ohne Anmeldung von 10 bis 16 Uhr besuchen. Am Sonntag, 11. September, ist der Besuch kostenfrei, für die Experimentalvorlesung um 11 Uhr mit Dr. Herbert Lepper und die Führung um 14 Uhr mit Manuel Heinrich ist eine Anmeldung verpflichtend, da die Teilnahmezahl auf 25 Personen begrenzt ist. Buchbar ist beides nur mit Anmeldung bei der Tourist-Information.
Unterer Hardthof - Der Untere Hardthof gehört zur Route Industriekultur Mittelhessen und beeindruckt mit Jugendstilfassaden aus farbigem Klinker. Hier hatte die Union-Brauerei AG einen großen Biergarten, eine Radrennbahn und weitere Sportanlagen geschaffen, sodass sie um 1900 ein beliebtes Ausflugsziel war. Ab 1977 begannen Kulturschaffende die Gebäude zu Wohnungen, Ateliers und Büros auszubauen. Der Verein Unterer Hardthof verfolgt das Ziel, die denkmalgeschützte Anlage für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen und zu erhalten. Beim Gang über das Gelände und in die alten Brauereikeller werden die verschiedenen Funktionen und Nutzungen der teils 170 Jahre alten Gebäude deutlich.
Das Gelände des Unteren Hardthofs, betrieben vom Verein Unterer Hardthof, ist ganztägig geöffnet. Eine Führung bietet Dieter Hoffmeister ab 14.30 Uhr an, bei Bedarf um 15.30 Uhr noch einmal. Zudem findet im Unteren Hardthof zum Tag des offenen Denkmals der zweite Tag des Arthof-Festes statt. Am Sonntag, 11. September, von 14 bis 17 Uhr gibt es die Gelegenheit zur freien Besichtigung des ehemaligen Brauereigeländes, Kunstausstellungen sowie Getränke, Kaffee und Kuchen.
Bismarckturm - Der 1906 eröffnete Bismarckturm überstand den Zweiten Weltkrieg, geriet aber in Vergessenheit und fiel in den 1970er Jahren Vandalismus anheim. Er blieb jahrelang geschlossen, bis sich 2005 der Förderverein gründete und mit der grundhaften Sanierung begann. Im August 2014 wurde der Turm offiziell wiedereröffnet und ist seither für die Öffentlichkeit an jedem ersten und dritten Sonntag in den Monaten Juli bis Oktober geöffnet. Der Förderverein erhielt 2021 den Ehrenamtspreis für Denkmalschutz des Landes. Am Tag des offenen Denkmals stehen Mitglieder bereit, öffnen die Tür des Aussichtsturmes, beantworten Fragen und bieten auf Anfrage Führungen an. Geöffnet ist der Turm von 14 bis 18 Uhr.

