Ein Dorf packt an

Von ihrer großzügigen Seite zeigten sich kürzlich die Allendorfer. Sie waren sofort dabei, als Frank Schuchard eine ungewöhnliche Sammelaktion zugunsten der Tafel initiierte. Die meisten Bürger öffneten Tür, Portemonnaie und Herz und sorgten dafür, dass Tafel-Leiter Holger Claes mehrere Pkw-Ladungen mit 2250 Artikeln und 1223 Euro im Empfang nehmen konnte.
Auf dem Hof der Tafel sieht es aus wie in einem Warenlager. Kaffee, Mehl, Nudeln, Toilettenpapier und Konserven wandern aus dem Kofferraum der Autos in die Vorratskammern der Tafel. Die Spenden sind hoch willkommen, freut sich Holger Claes, der Leiter des Diakonischen Werks, das die Tafel betreibt. Seit dem Krieg in der Ukraine und den damit einhergehenden Einsparungen und Engpässen ist das Warenaufkommen bei den Tafeln bundesweit zurückgegangen. Die Supermärkte kalkulieren anders, der Krisenmodus macht sich bemerkbar. Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die auf die Unterstützung der Tafel angewiesen sind. In den Sommerferien herrscht zudem insgesamt Flaute, die Menge der Lebensmittel, die von den Supermärkten zur Verfügung gestellt werden, ist geringer als sonst.
Vor diesem Hintergrund kam die Idee von Frank Schuchard vom Vorstand der Vereinsgemeinschaft Allendorf genau richtig. Im Zusammenhang mit der Diskussion in der Stadtverordentenversammlung, wie die Tafel vor Ort unterstützt werden könne, war der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Gigg/Volt auf die Idee gekommen, die Menschen in seinem Stadtteil um Hilfe zu bitten. Am vergangenen Freitag zogen Zweier-Teams los, um die Straßen des Stadteils abzuklappern. Da es sich dabei um Vereinsvertreter mit »bekannten Gesichtern« handelte, gab es keinerlei Zweifel an der Seriosität der ungewöhnlichen Sammelaktion. Mit von der Partie waren unter anderen Reinhart Jana vom VdK, Siegrun Müller-Bockisch (Förderkreis häusliche Pflege Allendorf), Stephan Schreiber (Vorsitzender der Vereinsgemeinschaft) und Sabine Volk (Schriftführerin der Vereinsgemeinschaft).
Sie alle waren überrascht, wie bereitwillig die Allendorfer ihre Türen öffneten und mit einer Spende zum Gelingen der Aktion beitrugen. »Es war großartig, zu sehen, wie alle mitzogen und wie herzlich wir empfangen wurden«, freut sich Schuchard. Knapp vier Stunden waren die Teams unterwegs, am Ende kamen sie mit reicher Beute zurück. Initiator Schuchard hat die Hoffnung, dass das Beispiel der Allendorfer Nachahmer finden wird. Auch in anderen Stadtteilen oder Dörfern könnten solche Aktionen organisiert werden, regt er an. Wie die Erfahrung gezeigt habe, ist die Hilfsbereitschaft besonders groß, wenn die Menschen direkt angesprochen werden. Bei Spendenaufrufen bestehe immer die Gefahr, dass es bei guten Vorsätzen bleibe und der Absichtserklärung keine Taten folgten. Schuchard: »Wenn es an der Tür klingelt, sieht das anders aus.«
Claes und seine Mitstreiter bei der Tafel freuen sich über die breite Unterstützung, die die Einrichtung erfährt. Daran hat auch der Skandal nichts geändert, der die Tafel Anfang Juni erschüttert hat. Damals war bekannt geworden, dass einige Ehrenamtliche Waren im großen Stil gestohlen hatten. Diese wurden angezeigt und sofort des Geländes verwiesen, dennoch war der Schock für Ehren- und Hauptamliche groß. Wie sich gezeigt hat, hat der gute Ruf der Tafel jedoch keinen Schaden genommen. Als bekannt wurde, dass die Warteliste bei der Tafel immer länger und die Verzweiflung der Mitarbeiter immer größer wurde, gab es viele, die sich mit kreativen Ideen eingebracht haben - unter anderem die Junge Kirche und die Kirchengemeinden in Gießen Nord. »Neu ist, dass ein ganzes Dorf aufsteht. Das ist großartig«, erklärt Claes.
Der Leiter des Diakonischen Werks rechnet damit, dass sich die ohnehin kritische Situation im Herbst und Winter noch einmal zuspitzt. »Wenn wir nicht mehr so viele Lebensmittel bekommen, werden wir die Kisten nicht mehr so voll packen können«, sagt er. An den Allendorfern soll es nicht liegen. Sie planen auf jeden Fall eine Neuauflage ihrer Aktion. Schuchard hatte vor Beginn der Sammlung überschlagen, dass bei einer Zahl von 1000 Haushalten etwa 500 Artikel zusammenkommen müssten. Geworden sind es schließlich 2250 Artikel und 1223 Euro. »Das kann sich sehen lassen«, findet die Truppe der Vereinsgemeinschaft. Allendorf sei eben ein Stadtteil, in dem angepackt werde, wenn es drauf ankommt.