Ein Chor sprengt das übliche Format

Gießen (kdw). Klein und fein ist das typische Format in der Vitos-Kapelle, es sei denn, ein Chor sprengt mal alle Ketten. Jetzt war das Vokalquartett »Bachwochen Dill e. V.« zu Gast. Die fünf Akteure machten ihrem klangvollen Namen alle Ehre und musizierten ein Programm mit romantischen Liedern von Brahms, Schumann und Mendelssohn. Das Publikum war hingerissen.
Die lange Zwangspause war dem Ensemble nicht anzuhören. Leiter Wolfgang Schult, Käthe Wilhelmi (Sopran), Christa Löffler (Alt), Bernhard Klement (Tenor) und Holger Hedrich (Bass) sind allesamt erfahrene Solisten und Chorakteure, und die klare Akustik der Kapelle ließ alle musikalischen Nuancen ungestört zur Geltung kommen. Man hörte weniger bekannte Werke. Schult: »Davon gibt es noch wirklich viele«.
Mit Johannes Brahms’ »Der Abend« präsentierte sich das Ensemble in voller Besetzung sogleich in bester Verfassung: mit vollem Volumen und angenehm rundem Klang. Sopran und Alt realisierten dann »Die Meere« und agierten schön zusammen und mit lieblichem Timbre. Mit Tenor und Bass kam die männliche Klangfarbe zur Geltung, und Klement und Hedrich lieferten eine gleichfalls gelungene Duo-Performance. Was Klement zunächst an Volumen etwas fehlte, machte er durch klare Intonation und emotionale Überzeugungskraft wett. Auch hier war beste Geschlossenheit zu genießen. Im nachfolgenden »Blaue Augen hat das Mädchen« sang man im frohgemuten Duktus angenehm klar und mit spürbarer Emotion; großer Beifall.
Wolfgang Schult als Klavierbegleitung
Dann konnte man wieder den Quartettklang genießen. Mit noch besserer Geschlossenheit erklang ein romantischer Klassiker: In »Spätherbst« zeigte sich eine noch gesteigerte Geschlossenheit und feine Differenzierung. Eindeutiges Glanzlicht war das folgende »Abendlied«. Die aparte Klangcharakteristik wurde sehr gut realisiert, Sopran und Alt erarbeiteten neue Höhen der Geschlossenheit. Insgesamt hörte man einen sehr ästhetischen, schwebenden Quartettklang. Das nächste Highlight kam gleich danach, als Sopran und Alt opernhaft und klangschön das »Abschiedslied der Zugvögel« intonierten - eine gut eingespielte musikalische Kooperation konnte man hören. Mit versiertem Schmelz und spürbarer Emotionalität musizierte das Duo das »Herbstlied«.
Wolfgang Schults Begleitung zeichnete sich durch professionelle unterstützende Zurückhaltung aus, die nur einmal nicht funktionierte, als er bei Francesco Paolo Tostis »Mattinata« den Solotenor leicht übertönte.
Ein weiteres Glanzlicht war Johannes Brahms’ »Sehnsucht« im Quartett. Auch hier erlebte man wieder exzellentes Zusammenspiel, lieblichen und zugleich kraftvollen Klang und, nicht zu vergessen, einen perfekten Abschluss. Als Weihnachtsschmankerl gab es dann noch Felix Mendelssohns »Es wird ein Stern aus Jacob aufgehen«. Man schuf eine sehr ästhetische Kooperation von Klavier und Chor, mit einem besonders schönen A-Cappella-Teil. Das Konzert bewegte die Zuhörer zu heftigem, anhaltenden Applaus.