Ein charmanter Abend mit viel Spaß und Tiefgang

Gießen (axc). Auf dem Plakat erinnert er ein wenig an Springsteen, wie er sich so mit seiner Gitarre zu den Fans runterbeugt. Gemeinsam ist beiden Künstlern jedoch nur, dass sie ihr Publikum vom ersten Moment an im Griff haben. Im gewohnt intimen Rahmen des Konzertsaals des Musikzentrums kam die einnehmende Persönlichkeit des 55-jährigen in London geborenen Australiers eindrucksvoll zur Geltung.
Den meisten Rock/Popfans mag Colman kein Begriff sein, wohl aber den Anhängern christlich orientierter Popmusik. Auf einer Europatournee lernten Colman und der neuerdings in Mittelhessen lebende Schlagzeuger Burkhard Mayer einander vor gut 20 Jahren kennen, und im letzten Jahr wurde der Kontakt aufgefrischt. Mayer bot an, für den sympathischen Australier einige Auftritte in Deutschland zu organisieren, und wollte dafür mit ihm gemeinsam die Konzerte bestreiten.
Die beiden kennen sich seit 20 Jahren
Es dauert eine Weile, bis der erste Ton erklingt, denn Colman nimmt sich viel Zeit, um - »G’day!« - mit Einzelnen im Publikum ins Gespräch zu kommen, seine Freude über die Post-Covid-Auftrittsmöglichkeiten im Allgemeinen und den durch das Musikhaus Schoenau vermittelten Gig im Besonderen auszudrücken. Burkhard Mayer übersetzt - oft zum Amüsement der Fans und der Musiker - das Gesagte ins Deutsche. Ansonsten überlässt er das Rampenlicht seinem Kollegen, der das fein dosierte Schlagzeugspiel - oft mit Besen statt Sticks - sehr zu schätzen weiß.
Colman spielt auf seiner babyblauen halbakustischen Fender-Gitarre ausschließlich Eigenes, stellt sich aber als Australier mit dem altbekannten Men at Work-Ohrwurm »Down Under« vor. Er spielt das sehr locker und dennoch kraftvoll - und mit spürbarem Spaß an der Musik. Die Stimme ist angenehm und auch in den hohen Lagen nie kreischig. Vom ersten seiner meist rockig-flockigen Songs an schafft er es, die Fans zum Mitsingen zu animieren. Zwischendurch erzählt er mit viel (Selbst-)Ironie Geschichten aus seinem Leben in Australien oder Tennessee (wo er 20 Jahre lang lebte) und schafft es irgendwie, christliche Botschaften völlig entspannt und ohne Kanzelattitüde rüberzubringen. Selbst »If I Was Jesus« arbeitet so geschickt mit witzigen Einfällen, dass der Song einfach Spaß macht. Colman hat neben der Bibel (»66 Bücher für den Preis von einem«) auch den Koran und den Talmud gelesen und ist alles andere als ein dogmatischer Pop-Prediger. Oft geht es in seinen Texten um die Rückkehr nach durchlebten Krisen - Themen, die auch für dem Glauben nicht so verhaftete Menschen relevant sind. »Faith, Hope & Love« etwa: Das kennen nicht nur Bibelfeste.
Kurz vor Schluss erzählt Colman von seiner Depression vor 15 Jahren und wie er sie bewältigte. Und bevor es zu emotional wird, als er von der Stimme erzählt, die ihm sagt, das Beste komme erst noch, bekommen auch noch die Amerikaner ihr ironisches Fett weg: »Ich wusste, dass es Gottes Stimme war, denn sie hatte einen amerikanischen Akzent.« Den Song »The Best Is Yet to Come« präsentieren Colman und Mayer dann im Stile eines irischen Trinkliedes. Und entgegen seiner Ankündigung gewährt Colman dem begeisterten Publikum dann doch noch eine Zugabe: komplett ohne Strom am Bühnenrand. Ein mitreißender und charmanter Abend mit viel Spaß und Tiefgang. FOTO: AXC