Ehrenamtliche schließen Lücken

Viele Menschen in Hessen helfen Asylsuchenden im neuen Alltag. Der Bedarf für Unterstützung und Beratung ist groß, gerade im Umgang mit Behörden und bei rechtlichen Fragen.
Alles ist neu, die Umgebung, die Sprache, das Gesetz: Damit sich geflüchtete Menschen nach ihrer Ankunft in Hessen leichter zurechtfinden und einleben können, engagieren sich zahlreiche Menschen ehrenamtlich für sie und schließen so auch Lücken im professionellen Angebot. Die Hilfe und Beratung von Ehrenamtlichen sei »unerlässlich«, sagte Timmo Scherenberg vom Hessischen Flüchtlingsrat. »Weil wir in Hessen viel zu wenig hauptamtliche Stellen haben, um den immensen Bedarf zu decken.«
Der bestehe weniger im sprachlichen Bereich - da sei das Land ganz gut aufgestellt -, sondern insbesondere bei der Alltagsbewältigung, bei Behördengängen und im Asylverfahren.
Erste Anlaufstelle für die Migranten ist die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Bereits dort sind mehrere Initiativen und Institutionen ehrenamtlich aktiv, die den Menschen Angebote machen. Diese seien vielfältig und niedrigschwellig, damit möglichst viele die Möglichkeit zur Teilnahme haben, teilte das für die Erstaufnahme zuständige Regierungspräsidium Gießen (RP) mit. Zu den Angeboten gehören Fahrradwerkstätten, Nähstuben, Musikprojekte, Sprachkurse, Sportangebote und Begegnungscafés. Organisiert werden diese laut RP unter anderem von Privatpersonen, der evangelischen Kirche, Vereinen oder der »Refugee Law Clinic«.
Kostenlose Rechtsberatung
Die »Refugee Law Clinic« gibt es seit rund 15 Jahren. Es ist ein Angebot der Justus-LiebigUniversität am Erstaufnahme-Standort in Gießen. Angehende Juristen bieten kostenlose Rechtsberatung an, sammeln dabei praktische Erfahrung und engagieren sich gleichzeitig ehrenamtlich. »Die Studierenden sollen mit echten Menschen juristisch arbeiten können und ihnen auf dem Weg durch ein ausgesprochen kompliziertes Verwaltungsverfahren - nämlich das Asylverfahren - helfen«, erläuterte Jürgen Bast, Professor für Öffentliches Recht und Europarecht, das besondere Konzept.
Die Nachwuchsjuristen bieten zum einen orientierende, allgemeine Informationen zum Asylverfahren an und zum anderen Einzelfallberatungen. »Wir versuchen, in einem möglichst frühen Stadium tätig zu werden, um den Menschen eine allgemeine Orientierung zu geben, welche Schritte auf sie zukommen«, sagt Bast. »Und an welcher Stelle im Verfahren es beispielsweise wichtig ist, vollständig Auskunft zu geben über das Schicksal, das ihnen widerfahren ist oder das ihnen droht, sollten sie in ihr Land zurückkehren.«
Niedrigschwellige Angebote
Die »Law Clinic« versteht sich auch als Angebot, um Lücken im Beratungssystem zu schließen. »Ich würde schon sagen, dass wir in Gießen ein fester Bestandteil der Beratungsinfrastruktur sind. Dass es substanzielle Lücken reißen würde, wenn wir die Arbeit einstellen würden.« Aber natürlich gebe es auch professionelle Berater. »Und wenn Fälle einen bestimmten Schwierigkeitsgrad erreichen, geben wir diese auch ab.« Klar sei: »Ohne Rechtsberatung würden es die Menschen nicht durch das komplizierte System schaffen.«
Auch die evangelische Kirche ist mit ehrenamtlichen Helfern in der Erstaufnahmeeinrichtung aktiv. »Bei unserer Arbeit geht es überwiegend darum, Begegnungen zu schaffen«, sagt Zena El-Jaaran, die Projekt- und Ehrenamtskoordinatorin bei der evangelischen Petrusgemeinde Gießen. Die Angebote seien nicht nur niedrigschwellig, sondern böten auch einen entspannten Rahmen. Die Menschen sollen durchatmen können.
Die Angebote richten sich an Frauen, Männer, Kinder, an Menschen mit Behinderungen oder queere Personen. Mal werde gekocht, mal gebastelt, genäht oder zusammen Kaffee getrunken. »Es geht gar nicht mal so sehr darum, den Menschen Fertigkeiten beizubringen«, sagt El-Jaaran. »Sondern vielmehr um das Beisammensein sowie darum, Räume und Brücken zu schaffen zwischen Ehrenamtlichen und Bewohnern.« Die Nachfrage ist der Koordinatorin zufolge sehr groß. Man schließe damit auch Lücken. Sie betont: »Ehrenamtliche Arbeit braucht noch viel mehr Support. Sie ist auch wichtig für die Demokratiebildung.«