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Drogentreff am Gartenzaun: Anwohner sauer - Untätigkeit der Stadt?

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Von: Christoph Hoffmann

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Am Uferweg in Gießen nutzt die Drogenszene Gebüsche als Sichtschutz. © Oliver Schepp

Die Gießener Drogenszene hat den Uferweg als Anlaufstelle ausgewählt. Die Anlieger aus der Schützenstraße sind darüber wenig glücklich. Nun kündigt die Stadt Maßnahmen an.

Gießen - Benjamin Bartelmess-Reh kommt gerade von der Arbeit. Er öffnet die Haustüre und steuert direkt den Garten an. Schon beim Aufschieben der Terrassentür dringt Stimmengewirr an seine Ohren. »Da sind sie schon wieder«, sagt der Gießener. Sie, das sind in diesem Fall ein Mann und eine Frau, die sich unter dem Busch direkt hinter dem Gartenzaun zurückgezogen haben. Bartelmess-Reh ist überzeugt, dass die beiden gerade Drogen konsumieren oder damit dealen. So wie eigentlich jeden Tag vor seinem Grundstück an der Schützenstraße.

Rund um den Uferweg zwischen Kanu-Verleih und dem DLRG-Gebäude hat sich die heimische Drogenszene ausgebreitet. Zu dieser Einschätzung kommt auch die Kriminalpolizei. »Der Polizei ist bekannt, dass dieser Bereich ein Treffpunkt der örtlichen Drogen- und Trinkerszene ist«, sagt Polizeisprecher Guido Rehr auf Nachfrage dieser Zeitung. Daher gebe es auch regelmäßig Kontrollen, bei denen bereits Drogen sichergestellt worden seien.

Gießen: Anwohner von Uferweg und Schützenstraße fühlen sich von Drogenszene gestört

Bartelmess-Reh und sein Ehemann haben die Wohnung samt Garten vor zwölf Jahren gekauft. Zehn Jahre lang sei alles harmonisch verlaufen. Erst als die Szene durch regelmäßige Kontrollen auf der anderen Lahnseite verdrängt worden sei, hätten die Schwierigkeiten am Uferweg rund um das DLRG-Gebäude angefangen. »Dabei ist es hier eigentlich sehr idyllisch«, sagt der Gießener. Zu Fuß sei er in wenigen Minuten in der Innenstadt, gleichzeitig wohne er im Grünen. Der Park, die Lahn und das neue Restaurant sind nur wenige Schritte entfernt und durch ein Gartentor erreichbar, an das Nachbarn ein Stand-up-Paddle-Board gelehnt haben. »Die Nachbarn fühlen sich ebenfalls gestört«, sagt Bartelmess-Reh, »manche trauen sich abends kaum noch raus.«

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Drogen-Utensilien wie Spritzen, angebrannte Löffel oder Mullbinden liegen herum. © Oliver Schepp

Während der Bewohner der Schützenstraße spricht, schleicht eine dritte Person in das Unterholz vor seinem Zaun. Gekicher und Gehuste dringt aus den Büschen. »Das geht hier den ganzen Tag so«, sagt Bartelmess-Reh. Später wird er eine kleine Runde drehen. In einem Radius von wenigen Metern um seinen Zaun findet er drei Spritzen, einen angebrannten Löffel, jede Menge Mullbinden und Desinfektionsverpackungen. Außerdem liegt überall Toilettenpapier herum, daneben die Notdurft der Menschen. »Die Leute urinieren und koten hier überall hin«, sagt der Gießener. »Gerade in den Sommermonaten stinkt das bis zum Himmel.«

Drogenszene in Gießen: Reagiert Stadt nicht auf Anwohner-Beschwerden?

Bartelmess-Reh ist nicht nur wegen der Zustände verärgert, sondern auch wegen der seiner Meinung nach Untätigkeit der Stadtverwaltung. Während die Kriminalpolizei regelmäßig kontrolliere, habe die Stadt nicht einmal auf seine E-Mails reagiert. Dabei sei Abhilfe seiner Meinung nach recht umkompliziert umsetzbar. »Die Büsche müssen weg, damit sich die Leute nicht mehr sichtgeschützt hier niederlassen können.«

Untätigkeit will sich die Stadt in dieser Angelegenheit nicht vorwerfen lassen. Laut Pressesprecherin Claudia Boje habe es bei einem Vor-Ort-Termin Gespräche mit den Anwohnern gegeben. Als Folge dieses Treffens seien die Bäume bereits entastet beziehungsweise zurückgeschnitten worden. »In einem weiteren Schritt sollen die Büsche komplett herausgenommen und durch Hochstämme ersetzt werden. Diese Maßnahme ist jedoch frühestens im Herbst durchführbar, wenn es die naturschutzrechtlichen Vorgaben zulassen«, betont Boje und fügt an, dass die Ordnungspolizei bereits nach dem ersten Anschreiben von Bartelmess-Reh sowie erneut im Juni den Auftrag zu regelmäßigen Streifengängen in diesem Bereich erhalten habe.

Gießen: Stadt will Büsche am Uferweg wegen Drogenszene entfernen

Boje betont aber auch, dass es kaum möglich sei, die Problematik grundlegend zu beheben. »Die Drogenszene gibt es in Gießen schon sehr lange. Sie gänzlich zu verhindern, ist kaum möglich.« Durch polizeilichen Maßnahmen könnte die Klientel zwar in einem langwierigen und aufwändigen Prozess von einem bestimmten Bereich vertrieben werden. Dafür würden sich die betreffenen Personen aber einen anderen Platz suchen. »Es handelt sich also nur um einen Verdrängungseffekt, den man erreichen kann und nicht um eine wirkliche Lösung des Problems«, sagt Boje.

Auch Bartelmess-Reh weiß um diesen Umstand. Eine Verdrängung würde dem Gießener aber auch schon reichen. »Vielleicht suchen sich die Leute dann einen Ort, an dem sie weniger Menschen stören.« (chh)

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