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Dramatische und hochspannende Realisierung

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Fredrik Jan Hofmann überzeugt mit seiner Lesung in der Jungen Kirche. © Heiner Schultz

Gießen (kdw). Das Verbrechen hat die Stadt tief durchdrungen und macht auch vor den Kirchen nicht halt. Am Donnerstag fand in der Jungen Kirche in der Löberstraße eine Veranstaltung des Gießener Krimifestivals statt. Der Schauspieler Fredrik Jan Hofmann las aus dem Thriller »Kaltherz« von Henri Faber. Das am Ende hochzufriedene Publikum konnte einer sehr intensiven, ausdrucksstarken Vorstellung lauschen.

Der 1977 in Frankfurt geborene Hofmann ist in Gießen aufgewachsen, sagte Veranstalterin Anna Lischper vorm wohlgefüllten Haus. Er studierte Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und war bereits während des Studiums am Staatstheater Mainz, am Théâtre National du Luxembourg und an den Ruhrfestspielen in Recklinghausen engagiert. Seit der Spielzeit 2015/2016 ist Hofmann festes Ensemblemitglied am Schauspielhaus Graz. Dort lebt er auch.

Die Story beginnt ziemlich abrupt mit hochdramatischen Gedanken: »Ich habe sie getötet. Niemand wird je erfahren, dass ich es war. Ich habe sie auf dem Gewissen.« Das klang nach einem saftigen Geständnis, zugleich aber auch mysteriös: Wer war denn der Täter oder, nicht gegendert, die Täterin? Der Autor legt eine komplexe Erzählstruktur an, indem er die Geschichte jeweils von den handelnden Personen als Ich-Erzähler erzählen lässt. Zwischendurch ist alles fein säuberlich durch Datumshinweise strukturiert (»Montag, 21. März«). Liest man das Buch, könnte das Klarheit schaffen, hört man dem zu, schafft es Verwirrung. Vor allem, da Faber exzellente Dialoge schreibt und Szenen anlegt, stört einen das jedoch bald nicht mehr. Dazu sind die Figuren zu interessant. Die schnelle Schnittfolge wie im Fernsehen lässt einen unterhaltsamen Eindruck entstehen, und man gibt sich der Sache hin. Was für ein Datum? Egal, viel mehr interessiert einen, was wird die Sonderermittlerin Kim Lansky (sie ermittelt in der Kriminalität gegen Kinder und ist nicht zimperlich: »Ein böser Blick, und die Tür war offen.«) wohl als Nächstes anstellen? Eine interessante Figur, die wegen Disziplinproblemen aus dem Dienst beurlaubt ist, kampfstark und zielgerichtet, man kann sich prima mit ihr identifizieren.

Übrigens auch mit dem kleinen Mädchen, mit deren Szene das Buch anfängt. Autor Faber kann sich exzellent in die Gefühls- und Gedankenwelt des Kindes einfühlen und vor allem sie auch darstellen, als wäre man es selbst. Da spielt das Datum dann keine Rolle mehr, das ist so greifbar, dass man ohne Umschweife mitschwingt. Auch verschleiert er mit den Worten des Kindes bei einer Polizeikontrolle geschickt die Lage: »Das ist nicht meine Mama«, sagt sie zu dem Polizisten über die Fahrerin, und der Leser rätselt, wie diese Konstellation wohl aufgelöst werden wird.

Vorleser steckt tief im Stoff

Faber schildert später einen Zweikampf Lanskys gegen einen unerkannten LKA-Kollegen geradezu atemberaubend dramatisch und visuell greifbar; man sollte das nicht vorm Einschlafen lesen. Hofmann trägt es exzellent vor, er beweist mehrfach einen guten Sinn für Dramatik.

Der Schauspieler hatte sich sehr gut vorbereitet und steckt offenbar tief im Stoff. So verband er einige Passagen mit freien Überleitungen und fügte Erläuterungen ein. Die zogen jedoch leichte Unschärfen nach sich, und so stockte ab und zu der Erzählfluss, wenn Hofmann den Anschluss suchte. Haften bleiben von diesem Vorleseabend die lebendigen Figuren und die dramatische, teils hochspannende Realisierung durch Hofmann.

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