»Drängelgitter« bleibt

Gießen (mö). Die junge Mutter hatte entweder gute Nerven oder sie kannte den Fahrplan der Vogelsbergbahn. Minutenlang dauerte es, bis sie ihre drei Kinder, die drei Fahrräder und den abgekoppelten Anhänger, in dem das Kleinste saß, durch das »Drängelgitter« in Verlängerung des Fasanenwegs auf die andere Seite der Gleise geschafft hatte. Diesen Aufwand wird sie auch künftig betreiben müssen, denn eine Aufweitung des Gatters bzw.
ein Umbau des Übergangs, damit er auch von Lastenrädern passiert werden kann, wird von der Bahn abgelehnt. Dies teilte Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) in der letzten Stadtverordnetensitzung Anfang Oktober mit.
Damit kann auch ein Stadtverordnetenbeschluss vom September 2021 nicht umgesetzt werden. Das Parlament war damals einem Antrag der Fraktion Gigg/Volt gefolgt, wonach sich der Magistrat um eine bauliche Änderung des Fußgängerüberwegs unterhalb des Waldstadions kümmern soll, um die Stelle für Lastenräder und Radanhänger passierbar(er) zu machen.
Stadt lässt Alternative prüfen
Wie Wright mitteilte, habe Ende Juni in Gießen eine sogenannte Bahnverkehrsschau stattgefunden, an der neben Bahnvertretern und Polizei auch die städtische Verkehrsbehörde und das Tiefbauamt beteiligt gewesen seien. Dabei habe man auch den Fußgängerüberweg besichtigt und die Stadt habe diese Gelegenheit genutzt, den Wunsch nach einem Umbau vorzutragen. Dieser indes sei von der Bahn als »unbegründet« zurückgewiesen worden. »Nach Auffassung der DB ist die bestehende Sicherung durch Umlaufsperren ausreichend«, gab der Verkehrsdezernent den Gesprächsverlauf wieder. Nach Einbeziehung von Hessen mobil soll nun auf Grundlage einer Machbarkeitsstudie geprüft werden, ob sich eine »wirksame, wirtschaftliche und sichere« Alternative zu dem »Drängelgitter« verwirklichen lässt. Die Studie soll aus einem Topf zur Förderung der Nahmobilität finanziert werden.
Die ablehnende Haltung der Bahn kommt nicht überraschend, denn auch in der Vergangenheit hatte sie aus Sicherheitsgründen auf ähnliche Vorstöße aus der Stadtpolitik zurückhaltend reagiert. Im Zuge der Auseinandersetzung um das Warnpfeifen der Züge, über das sich Anwohner beschwerten, hatte die Bahn vor etwa 15 Jahren den Übergang ein paar Meter weiter Richtung Großen-Buseck verlegt, um den Abstand zum Bahnhaltepunkt Licher Straße zu vergrößern. Seitdem pfeifen die Züge nicht mehr bei jeder Fahrt, sondern nur noch, wenn sich Personen im Bereich des Bahnübergangs aufhalten. Eine damals von der Stadt ins Spiel gebrachte Schrankenlösung wurde verworfen.
Umweg fast vier Kilometer lang
Die Fraktion Gigg/Volt hatte in ihrem Antrag darauf verwiesen, dass der Bahnübergang auf einer viel genutzten Radroute zwischen dem Osten und dem Norden der Stadt liegt und der Anteil an Transporträdern steigt. Außerdem gebe es an der oberen Grünberger Straße eine Leihstation für Lastenräder. Gigg/Volt hatte ausgerechnet, dass der Umweg über den Bahnübergang Licher Straße 1,8 Kilometer beträgt und mit Rückweg 3,6 Kilometer umfasst.
Aus Sicht der Bahn erhöhen solche Drängelgitter, die Radfahrer zum Absteigen zwingen sollen, die Aufmerksamkeit für herannahende Züge.
Die Stadt hat - in ihrem Zuständigkeitsbereich - Umlaufsperren auch schon abgebaut. Zuletzt vor einigen Jahren an der Philosophenstraße am Übergang des Fußradwegs in den Martha-Mendel-Weg.