Dino-Euphorie wirkt bis heute

Es war Gießens Sommer der Dinosaurier. Eine Freiluft-Ausstellung wurde vor zehn Jahren zum unerwartet großen Erfolg. Die Begeisterung wirkt bis heute nach, sagt der Biologe Hans Peter Ziemek.
Dino, Dino, Dino!« Mit diesem Ausruf zogen Kindergruppen durch die Innenstadt. Passanten mit Einkaufstüten in der Hand schlossen sich ihnen an, um mehr zu erfahren über Apatosaurus oder Diplodocus. Fachsimpelnd und fotografierend versammelten sich Bürger und Besucher Gießens an den 60 Figuren, die über die Innenstadt verstreut standen. Vor zehn Jahren war die Ausstellung »Dinos in Gießen entdecken« ein riesiger Erfolg.
5000 bis 6000 Teilnehmer allein bei den Führungen, proppenvolle Hörsäle bei Wissenschaftler-Vorträgen, Vertreter von Stadtmarketing, Universität und Geschäftswelt Seite an Seite. Die allseitige Euphorie überraschte auch die Veranstalter, erinnert sich Hans Peter Ziemek.
Der Professor für Biologiedidaktik an der Justus-Liebig-Universität saß 2009 in ganz anderer Sache im Büro des damaligen Stadtmarketing-Geschäftsführers Sadullah Gülec. Zufällig sah er einen Zettel mit einem Dinosaurier auf dem Tisch und erfuhr, dass eine Wanderausstellung mit 60 Tiermodellen im Jahr darauf nach Gießen kommen sollte. Die Initiative war von Heinz-Jörg Ebert ausgegangen, dem Vorsitzenden des Business Improvement District Seltersweg.
Warum ein Kind im Maul feststeckte
»Ich habe spontan gefragt: Wie wäre es, wenn wir die pädagogische Begleitung übernehmen?«, schildert Ziemek. Beide kamen überein, dass »vielleicht zehn Führungen« sinnvoll sein könnten. Gelächter. »Es wurden 250.«
Dabei war der Start alles andere als vielversprechend. Ein Modell, das als »Botschafter« Appetit auf die Ausstellung machen sollte, lag nach wenigen Tagen teilweise in der Wieseck. Unbekannte hatten es zerlegt. Bei der ersten Führung für Sponsoren blickte Ziemek anfangs in skeptische Gesichter. »Aber dann wurde das Lächeln bei jedem Tier breiter.«
Was überzeugte erst die »VIPs« und dann tausende Normalbürger aller Altersstufen? Ziemek sieht mehrere Gründe: »Dinosaurier sind legendär. Jeder hat von klein auf eine Vorstellung davon. Ich war als Kind selbst ein begeisterter Fan.« Ein wichtiger Faktor war, dass das Museum unter freiem Himmel »zu den Menschen« kam. Doch in anderen Städten habe dieselbe Wanderausstellung längst nicht so eingeschlagen. »Ich bin überzeugt: Es ist uns gelungen, Wissenschaft in die Stadtgesellschaft zu bringen. Das war der Schlüssel für die Langzeitwirkung.«
Die von seinem Kollegen Prof. Volker Wissemann organisierte Ringvorlesung gab ebenso Gelegenheit zur Vertiefung wie das pädagogische Programm unter Ziemeks Leitung mit 20 Studierenden als »Dino-Guides«. Die zufällig zustande gekommene Kombination mit dem Aktionsjahr »Stadt der jungen Forscher« erwies sich als weiteres Plus. »Es war ein tolles Erlebnis, wie im Grunde sinnlose Bildung - wer hat etwas davon, wenn er etwas über Saurier weiß? - plötzlich diskutiert wurde«, strahlt der Hochschullehrer.
Der Dino-Rausch war allgegenwärtig, Vandalismus gab es so gut wie nicht mehr. Einmal mussten die Organisatoren einem Modell einen Zahn ausbrechen - weil ein Kleinkind eingeklemmt war. Seine Mutter hatte es für ein Foto in das Maul gesetzt.
Noch höher waren die Besucherzahlen 2012 bei der Folgeausstellung »Urzeit entdecken«, wo sich auch Ziemeks »Kindheitstraum« vom selbst gestalteten Klebebilder-Sammelalbum erfüllte. Danach kam keine derartige Veranstaltung mehr zustande, bedauert der Biologe. 2014 stand die Landesgartenschau im Vordergrund, danach habe es an mehreren Stellen neue Strukturen gegeben. »Im Prinzip müsste man so etwas alle zwei Jahre machen. Das würde der Stadt gut zu Gesicht stehen. Ich wäre dabei.«
In vieler Hinsicht wirkten die Ausstellungen und die entstandenen Kontakte bis heute. Ein wichtiges »Vermächtnis« sei die Hermann-Hoffmann-Akademie, die Wissen über Natur vermittelt, gerade an Kinder. Wie langfristig ihre Begeisterung anhält, sieht Ziemek jeden Tag. »Wir haben viele Biologiestudierende, die sich für unser Fach und unsere Uni entschieden haben, weil sie als Kinder die Ausstellungen gesehen haben.«
Wettbewerb: Wer malt das schönste Urzeit-Bild?
Dino, Mammut, Terrorvogel: Ganz genau wissen wir nicht, wie die Urzeit-Giganten aussahen, die 2010 und 2012 die Innenstadt bevölkerten. Um so mehr ist Fantasie gefragt beim Malwettbewerb, zu dem die GAZ anlässlich des zehnten Jahrestags aufruft. Kinder können ein ausgestorbenes Tier zu Papier bringen. Tipp: Anregungen und Infos gibt es auf www. dinos-entdecken.de. Für die besten 20 Bilder winken als Preise je ein Urzeit-Sammelalbum samt Klebebildern und je ein kleines Urzeittier-Modell. Die schönsten Bilder werden außerdem beim Spielwarengeschäft Fuhr in einem Schaufenster ausgestellt. Schickt Euer Bild an das Institut für Biologiedidaktik, Karl-Glöckner-Straße 21c, 35394 Gießen. Einsendeschluss ist der 20. April.