Digitalen Obstsalat schnippeln

Wie können Bewohner in Seniorenpflegeheimen an der Digitalisierung teilhaben? Diese Frage soll ein neuer Gegenstand im Albert-Osswald-Haus beantworten. Die Gemeinnützige Stiftung der Sparkasse Gießen spendet dem Haus am Philosophenwald einen »Caretable«.
Ein kurzer Wisch mit dem Finger, und Peter Wolf hat eine Kiwi in zwei Hälften geteilt. Ein weiterer von Ilona Roth, und auch die Mandarine ist in mundgerechte Stücke geschnitten.
Die beiden Mitglieder des Stiftungsrates der Gemeinnützigen Stiftung der Sparkasse Gießen stehen vor einer Art Tablet im XXL-Format, gut einen Meter mal 60 Zentimeter groß. Caretable heißt das 8000 Euro teure Gerät, das die Stiftung gerade dem Albert-Osswald-Haus gespendet hat.
Neben dem digitalen Früchteschneiden kann das 2019 in Dessau entwickelte Gerät noch einiges mehr: Die Senioren können Klassiker wie Bingo oder Schach darauf spielen. Verschiedene digitale Instrumente laden zum gemeinsamen Musizieren oder Spiel nach Noten ein. Bei einem Geräusche-Quiz sollen die Senioren Laute wie ein Meckern dem richtigen Tier zuordnen. Hier haben die Bewohner des Albert-Osswald-Hauses freilich einen Heimvorteil, befindet sich doch ein eigener Ziegengarten auf dem Gelände, der mit dem hessischen Engagementspreis ausgezeichnet wurde.
Laura Gotthardt, Assistenz der Geschäftsführung der AWO, stellt die Programme des Caretable nacheinander vor. »Es gibt auch einen Medienbereich, über den die Tagesschau, Gottesdienste oder die Gießener Allgemeine Zeitung abrufbar sind«, ergänzt sie. Außerdem betont sie, dass der Caretable intuitiv nutzbar sei. Peter Wolf fragt nach, ob es bei den Senioren eine Hemmschwelle gebe, das Gerät zu benutzen. Jens Dapper, Geschäftsführer der AWO, beruhigt ihn: Das Gerät sei bereits in Lollar zum Einsatz gekommen und sehr gut angenommen worden. Dort nämlich gibt es das Gerät bereits seit April dieses Jahres, im August kam eines in Wißmar hinzu. Da die Bewohneranzahl im Albert-Osswald-Haus mit 205 Pflegeplätzen deutlich höher als in den anderen Einrichtungen ist, soll das Gerät dort erst einmal von Station zu Station wandern.
Im Rhythmus der Jahreszeiten
Selbst ein eigenes Maskottchen hat der Caretable, eine Frau mit Kurzhaarfrisur und Brille. Momentan trägt sie weihnachtliche Kleidung. Wenn sie von Bewohnern angetippt wird, können diese einen Christbaum schmücken. Das Aussehen und die Spiele ändern sich je nach Jahreszeit.
»Wir denken, dass uns der Caretable in der Pflege unterstützt«, sagt Jutta Deibel-Schmidt, Abteilungsleiterin der sozialen Betreuung des Hauses. Sie könne sich vorstellen, dass Programme wie Meeresrauschen meditativ bei den Patienten wirken könnten.
Ein Austausch der Generationen
Auch für den generationenübergreifenden Austausch ist der Caretable förderlich, findet Kornelia Steller-Nass, Freiwilligenkoordinatorin bei der AWO. »Wenn jetzt an Weihnachten Senioren Besuch von ihren Enkeln bekommen, ist es gut möglich, dass man dort zusammenkommt.«
Der Caretable verfügt über vier stabile Rollen und ist deshalb einfach von einem Ort zum anderen zu bewegen. Die Neigung und Höhe des Bildschirmes ist per Knopfdruck regulierbar. So eignet sich das Gerät auch für Bewohner, die bettlägerig oder auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Dapper ergänzt: »Die Oberfläche ist unkaputtbar.« Steller-Nass macht zudem auf die Möglichkeit aufmerksam, sich vom Caretable Geschichten vorlesen zu lassen. »Für blinde oder sehgeschädigte Bewohner ist das ein tolles Angebot«, sagt sie. Und für gehörgeschädigte Menschen seien die Untertitel in extra großer Schriftgröße hilfreich.
Bereits einen Tag nach der Übergabe des Caretables haben drei Bewohner im Einrichtungsbeirat die Gelegenheit, ihn zum ersten Mal auszuprobieren. Getestet wurde unter anderem der digitale Obstsalat, an dem sich auch schon Wolf und Roth versucht hatten. Außerdem kam eine Partie Mensch ärgere Dich nicht auf den Caretable. Ein Schachliebhaber unter den Testern entdeckte weitere Vorzüge: »Bisher wollte niemand gegen ihn spielen«, erzählt Deibel-Schmidt. Nun hat der Bewohner in dem Gerät einen Gegenspieler gefunden. Sie ergänzt: »Auch die Mitarbeiter sind begeistert, alle wollen den Caretable auf ihrer Station haben.«