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Die Unfassbarkeit von Trauer

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Von: Barbara Czernek

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Autorin Stefanie vor Schulte im Gespräch mit Moderator Nicolaus Webler. © Barbara Czernek

Gießen (bac). »Magischer Realismus ist mein Ding«, sagt Autorin Stefanie vor Schulte. Diese Bezeichnung trifft den Charakter ihres Buchs »Schlangen im Garten« punktgenau. Am Freitag war sie zu Gast mit ihrem zweiten Roman im Literarischen Zentrum. Moderiert wurde der inspirierende Abend von Nicolaus Webler, stellvertretender Vorsitzender des LZGs.

In ihrem Buch beschreibt die in Marburg lebende Autorin wie eine Familie versucht, mit dem Tod der Mutter umzugehen. Für Trauer gibt es kein Rezept und die Familie weiß nicht, wie man mit dem Verlust umgehen soll, denn die Mutter hielt alles zusammen. Sie trauern nicht wie vorgeschrieben, wie es erwartet wird, argwöhnisch und misstrauisch von den Nachbarn beäugt. In Form eines amtlichen Trauerbüros beginnt das virtuos in Bilder gepackte Spiel mit der Irrealität, denn bis zu diesem Augenblick benimmt sich nur die Familie scheinbar merkwürdig: Auf ein gegebenes Versprechen hin, dass niemand je das Tagebuch der Mutter lesen wird, verspeisen die Familienmitglieder jeden Abend einige Seiten daraus. Die Nachbarn berichten ihre Beobachtungen der Behörde, sodass die Familie unter Beobachtung steht. Letztlich findet sie ihren Weg mit dem Verlust umzugehen, auch wenn dieser nicht zu den Trauer-Konditionen ihrer Mitmenschen passt. Schulte verwendet surreale Komponenten, die sie in eine fesselnde Bildersprache einhüllt. Die Kunst des komprimierten Beschreibens von Räumen, Gesten und Gegenständen beherrscht sie in Gänze. Den geschulten Blick setzt die studierte Bühnen- und Kostümbildnerin treffsicher ein. Sie sagt, dass Bilder und Geschichten sich bei ihr einfinden würden und nur darauf warteten, dass sie sich damit beschäftigen würde. Von Trauerarbeit indes habe sie »keine Ahnung«. »Ich weiß, dass es eine Menge Methoden gibt, um mit dem Tod zurechtzukommen, doch diese Familie hat keine. Daraus entwickelt sich die Geschichte.«

Mit dieser Lesung wurde das Frühjahrsprogramm des LZG eröffnet. Die nächste Veranstaltung ist eine Lesung und ein Gespräch mit Barbara Yelin über das Buch »Aber ich lebe« am Donnerstag, 2. Februar, 19 Uhr, in der Aula im Hauptgebäude der Universität. Die Veranstaltung findet statt im Rahmen der Tagung »Graphic Novels im Deutschunterricht« des Instituts für Germanistik.

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