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Die Schlafmaus mit der Zorro-Maske

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Von: Lea Seitz

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Typisch für den Gartenschläfer ist die auffällig schwarze Kopfzeichnung, die an eine Zorro-Maske erinnert. © DPA Deutsche Presseagentur

Der Gartenschläfer ist Tier des Jahres 2023. In einem gemeinsamen Projekt mit der Senckenberg Gesellschaft und dem BUND erforscht die Justus-Liebig-Universität den Nager bereits seit 2018. Biologe Johannes Lang gibt Einblicke in die Arbeit mit dem Gartenschläfer.

Ganze 94 Prozent des Publikums hätten Anfang Februar bei »Wer wird Millionär?« das Tier des Jahres 2023 gekannt, freut sich Johannes Lang. Dabei handelt es sich nämlich um den Gartenschläfer - ein Tier, das den Biologen schon seit Jahren begleitet. Lang arbeitet an der Justus-Liebig-Universität (JLU) und koordiniert dort das Projekt »Spurensuche Gartenschläfer«. Dieses wird in Kooperation mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung durchgeführt.

Das Team um Lang umfasst momentan eine Kollegin, die hauptsächlich für die Datenbank zuständig ist, eine Tierärztin, eine Teilzeitstelle und zwei feste Werkvertragnehmer. Zudem schreiben auch fünf bis zehn Studierende ihre Abschlussarbeit in dem Projekt, hinzu kommen Praktikanten.

Sie führen pathologische Untersuchungen der toten Tiere durch, überprüfen von der Bevölkerung gemeldete Funde, werten Kotproben aus.

Außerdem stark involviert: Die Bevölkerung und ehrenamtliche »Citizen Scientists« - Bürgerforscher. »Das Arbeiten mit Freiwilligen ist in der Wissenschaft ein großes Thema«, sagt Lang. Einerseits könne man viel mehr Meldungen erhalten, andererseits bestände die Möglichkeit, dass Laien die Arten nicht gänzlich korrekt bestimmten.

»Wir konnten das umgehen, indem wir den Leuten genau erklärt haben, was wir von ihnen wollen.« Ein zweiter Schritt sei das Verifizieren der Meldungen gewesen. Dabei hätten Smartphones wertvolle Dienste geleistet: Dank Foto-, Video- und Tonaufnahmen hätte leicht überprüft werden können, ob es sich nun um einen Gartenschläfer handle oder nicht. Circa 6000 Meldungen haben sie erreicht. Der Anteil der gemeldeten Tiere, bei denen es sich wirklich um Gartenschläfer handle, sei sehr hoch gewesen.

Außerdem hätte man mit circa 450 sogenannten »Citizen Scientists« gearbeitet. Ehrenamtlichen, die in ihrer Freizeit dem Verschwinden des Gartenschläfers nachgingen. Hierbei ging es darum, Häuser zu installieren, Kotproben zu sammeln, oder Spurentunnel anzubringen. Spurentunnel?

Lang zeigt einen rechteckigen, gut 50 Zentimeter langen Tunnel aus Holz. Er erklärt, dass sich innen ein Gemisch aus Speiseöl und Aktivkohle befindet. Läuft das Nagetier hindurch, hinterlässt es Spuren.

Zudem hätte das Sammeln von Totfunden und die Installation von Wildkameras zu den Aufgaben der »Citizen Scientists« gehört. »Uns war wichtig, dass sie nicht nur Daten liefern, sondern Teil haben«, sagt Lang. »Ohne die Freiwilligen hättes es nicht funktioniert«, unterstreicht er. Das Einbeziehen der Öffentlichkeit lobt auch die Jury, die »Spurensuche Gartenschläfer« 2020 als »Projekt der UN-Dekade für Biologische Vielfalt« auszeichnete.

Ruft man die Seite »Meldestelle Gartenschläfer« auf, sieht man schnell: Keine Gartenschläfer in Gießen! Trotzdem kann der Gartenschläfer viel Auskunft über unsere Umwelt geben, sagt Lang. Genau wie seine nächsten Verwandten, Haselmaus und Siebenschläfer, hält der Gartenschläfer Winterschlaf. Und genau wie sie frisst er sich vor diesem Gewicht an. Anders als seine Verwandten tut er das aber nicht mit Hilfe von fetthaltigen Nüssen, sondern - auch diese Erkenntnis kam erstmals während des Forschungsprojektes zu Tage - mit Insekten.

Gartenschläfer vor dem Winterschlaf sind nun sehr viel leichter, als sie das noch vor Jahren waren. So wirkt sich das massive Insektensterben auch auf die Lebensumstände des Gartenschläfers aus.

Lebenswerte Umgebung schaffen

Außerdem könne man auch in Gießen davon profitieren, den eigenen Garten »gartenschläferfreundlich« zu gestalten: So könne auch eine lebenswertere Umgebung für den Menschen entstehen. Lang verweist auf die Gebiete in Wiesbaden, in denen sich Gartenschläfer wohlfühlen: Hier ein Garten mit Hühnern, dort ein Balkon mit Gemüsegarten, sehr viel Fassadenbegrünung. Er verweist auf den temperatursenkenden Effekt von Grünflächen, der sich gerade in Zeiten der immer heißer werdenden Sommer positiv auswirke.

Der große, graue Verwandte

Was eigentlich ist der Unterschied zwischen Sieben- und Gartenschläfer? Die Verwechslungsgefahr sei in der Tat groß, sagt Lang. Beide Tiere gehören wie die Haselmaus zu den Bilchen, den Schlafmäusen. Ihren Namen tragen sie, weil sie bis zu sieben Monate Winterschlaf halten. Siebenschläfer sind größer, komplett grau und haben einen buschigen Schwanz - im Gegensatz zu dem des Gartenschläfers, der eher pinselartig ist. Die Unterscheidung werde dadurch erschwert, dass es auch braune Farbvarianten des Siebenschläfers gebe. Außerdem hätten die Jungtiere des Siebenschläfers noch die eigentlich für den Gartenschläfer typische Zorro-Maske.

Bereits während seines Biologie-Studiums in den 90er-Jahren an der JLU beschäftigte sich Lang mit Säugetieren, aus denen bald Kleinsäuger wurden. Um 2010 wurde er dann auf den Gartenschläfer aufmerksam: »Ich hörte die Meldung, dass das Tier aus Sachsen fast verschwunden war«. Daraufhin wollte er herausfinden, wie es um den Gartenschläfer in Hessen steht. Bis dahin herrschte die Meinung vor, dass der Gartenschläfer verbreitet sei und auf der Roten Liste nichts zu suchen habe. Erste Ideen für das Projekt entstanden 2014/2015, zunächst hatte Lang dabei lediglich an Hessen und die umliegenden Bundesländer gedacht.

Für das von 2018 bis 2024 dauernde Projekt wurden deutschlandweit Daten erhoben, um dann daraus Maßnahmen zum Schutz des Tiers zu entwickelt.

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