Die Kirche als Umdenk-Bar!
Wenn ich einkaufen gehe, werde ich am Eingang zum Supermarkt mit einem großen Transparent begrüßt: «#umdenkbar« steht darauf. Und auf den Plakaten rechts und links werde ich aufgefordert umzudenken.
Also das, was vorher undenkbar schien, zumindest probeweise doch mal zu denken. Beispielsweise, dass ich mich für den Klimaschutz engagieren kann, indem ich mehr vegetarische oder vegane Produkte esse.
Eigentlich toll, denke ich, dass sie mir das zutrauen, dass ich so umdenken kann.
Andererseits: Das ist nichts Neues. In jedem Gottesdienst werde ich damit konfrontiert, dass Gott mich für umdenkbar hält. Dass er mir zutraut und mich deshalb auffordert, umzudenken, umzukehren, neue Wege zu versuchen.
Oder wie es Pfarrer Gabriel Brand letzten Sonntag im Stadtfestgottesdienst gesagt hat: Wir müssen mehr Verrücktes denken (und wagen) - das brauchen unsere Stadt und unser Land.
Vor einem Jahr hätten alle gesagt: Ein Neun-Euro-Ticket für alle? Verrückt! - Heute wissen wir: Es geht. Zumindest eine Weile. Und wir können daraus lernen für die Zukunft.
Lebensmittel, die im Supermarkt nicht mehr verkauft werden können, an Bedürftige verteilen? Undenkbar? - Umdenkbar! Genau das machen wir doch inzwischen landauf landab in den Tafeln. Und finden es inzwischen undenkbar, was früher alles fortgeworfen wurde.
Wie gesagt, ein guter Platz zum Umdenken ist für mich in der Kirche. Weil ich dort erlebe, dass Gott mir das zutraut, dass ich umdenke. Dass Gott das sogar erwartet. Dass er mithilft.
Insofern ist eigentlich jede Kirche eine Umdenk-Bar. Nämlich ein Ort, an dem ruhig mal etwas Verrücktes gedacht und gesagt werden darf. An dem anders und anderes gedacht wird als in Politik und Wirtschaft. Etwas, das am Ende den Menschen gut tut und weiterhilft.
Vielleicht könnten wir auch an die Kirche ein großes Transparent hängen: Umdenk-Bar!
Pfarrer Andreas Specht
Stellvertretender Dekan des Evangelischen Dekanats Gießen