Die »Heinrichs« werden 40

Pop-Musik mit eigenen witzigen, individuellen Texten und eine gute Portion Oberhessen. Das ist die Gruppe Heinrich. Das Projekt, das Willi Rüspeler einst aus der Taufe hob, feiert nun 40 Jahre Bühne.
Wer vor einem Konzert der Gruppe Heinrich schon einmal in deren Umkleidekabinen geschaut hat, der weiß, was Authentizität bedeutet - auch wenn man das Wort »uff Platt kaum ausschwätze« kann. Was die sechs Sängerinnen und fünf Sänger der aktuellen Besetzung in diesen Momenten hinter der Bühne leben, das zeigt sich auch auf der Bühne: Gnadenloser Wortwitz, schelmisches Augenzwinkern, tiefe Verbindungen, echte Freundschaften, musikalischer Anspruch, individuelle Programme und bodenständige Gemütlichkeit. All das zeichnet die Gruppe Heinrich aus, die in den vergangenen Jahren zum Beispiel beim Handkäs-Festival in Heuchelheim die Besucher im ausverkauften Innenhof regelmäßig zu Jubelstürmen trieb.
Für den hohen musikalischen Anspruch der Gruppe steht seit vielen Jahren Christian Krauß, der in der Region auch schon Formationen wie die Drei Stimmen zu großen Erfolgen geführt hat.
Der typische Wortwitz wiederum wurde der Gruppe schon 1982 in die Wiege gelegt, als junge Sängerinnen und Sänger ihren Chef Willi Rüspeler und seine unnachahmlichen Programme musikalisch bereicherten. Der vor wenigen Jahren verstorbene Rüspeler war viele Jahre eine Ikone der Gießener Fassenacht und als »Heinrich von Kabborn« eine über die heimischen Grenzen hinaus bekannte Kunstfigur, die der Gruppe ihren Namen gab.
In internationalen Filmen zu hören
Rüspeler legte mit seinen Programmen auch gerne den Finger in Wunden - regionale und weltpolitische. Die Gruppe lieferte durch die gesungenen und perfekt arrangierten Texte den besonderen Esprit. Aber auch herzhaft gelacht werden darf bei den Heinrichs, wenn beispielsweise die »Wutz«, die Oberhessische Nationalhymne (»Säistde net die Säu iäm Goade«), oder andere umgetextete Gassenhauer durch den Saal geschmettert werden. Aus »Schickeria« von der Spider Murphy Gang wird bei den aktuellen Heinrichs »Pizzeria«, aus Tom Jones‹ »Sex Bomb« wird »Sechs Bier« und auf die Melodie von Alice (Smokey) singen die Wortakrobaten »Handkäs, gibt’s denn hier kein Handkäs«.
Dass das Ganze in den ersten Jahren auch optisch schon ein Knaller wurde, lag in den Händen von Inge Rüspeler, die die Sängerinnen und Sänger damals liebevoll in Traditions-Trachten und Hessenkittel steckte. Pop-Musik, dazu witzige, berührende, kritische und vor allem individuelle Texte, und das alles in Oberhessischer Tracht. »Eine Legende ist geboren«, hieß es schon damals über die Gruppe, die auch 40 Jahre nach dem ersten Auftritt noch mit diesem Konzept erfolgreich ist.
Machten die »Heinrichs« seinerzeit öffentlich primär als Highlight der Gießener Prunksitzungen von sich reden, gab es auch darüber hinaus beeindruckende Momente. So haben sie beispielsweise auf dem Frankfurter Flughafen die Lufthansa-Maschine »Gießen« musikalisch eingeweiht. Eine herrliche Anekdote: Nach einer Präsentation der »Wutz« in der Kongresshalle Gießen stand auf einmal ein Mann in der Umkleidekabine und sagte: »Ich bin Willi Willoh, Vorsitzender der Schweinebesamungsstation Weser-Ems. So was wie Euch habe ich schon seit Jahren gesucht«. Damit hatten die Heinrichs auch den Norden Deutschlands erobert. Heute hört man sie auf Firmenfeiern, Kongressen und privaten Festivitäten, aber nur selten öffentlich, beispielsweise auf dem jährlichen Hoffest der Heuchelheimer Marktschänke. Einen Namen machten sie sich auch als Background-Chor bei Konzerten der Tom-Pfeiffer-Band, der Drei Stimmen, zum Beispiel in der Pankratiuskirche oder Give-Me-Five-Veranstaltungen.
Auch wenn sich Willi Rüspeler schon vor Jahrzehnten von der Bühne zurückgezogen hatte, hatte er es zuvor verstanden, sein Erbe weiterzugeben. Die derzeitige Formation ist schon lange zusammen. Verkörpert wird sie von Anette Pfeiffer, Dirk Schäfer, Sabine Habermehl, Tom Pfeiffer, Michael Habermehl, Hans-Joachim Pasch, Iris Lauber (Texte), Ingrid Theiss, Maik Peppler, Claudia Bäulke (Choreografie) und Alexandra Rinn. Immer fest an der Seite: Technik-Experte Stephan Wießner, der den »guten Ton« liefert.
Musikalische Kaderschmiede
Die Gruppe Heinrich war seit jeher auch eine Kaderschmiede. Aus ihr gingen Swinging Fast Food, Back to the 50s, Give me Five und die Drei Stimmen hervor. Daher werden auch Gründungsmitglied Heinz-Jörg Ebert und Ingi Fett beim Jubiläumskonzert dabei sein. Auch der international tätige Tonmeister Carsten Kümmel oder der Münchner Filmkomponist Martin Stock haben bei den »Heinrichs« ihre ersten musikalischen Schritte gemacht. Stock hat für den Film »The Magic Flute« («Die Zauberflöte«), der im November erscheint, die Filmmusik komponiert - und natürlich stand auch die Gruppe Heinrich dafür im Studio. Was dazu wohl »Heinrich von Kabborn« sagen würde?
