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Bauen in Gießen: Die Bagger rollen noch - Doch es gibt Sorgen

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Von: Burkhard Möller

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Steigende Zinsen, Materialknappheit und die Inflation machen der Immobilienbranche und insbesondere den Wohnungsbau-Investoren zu schaffen. Auch in Gießen.

Gießen - Im Frühjahr herrschte auf der Baustelle an der Rödgener Straße in Gießen noch Hochbetrieb, es wurde abgerissen, gerodet und geschreddert. Seitdem ragen an der Monroestraße Berge aus Recyclingmaterial in die Höhe. Ursprünglich sollte es in der zweiten Hälfte des Jahres mit dem Hochbau von Wohnhäusern losgehen, das ist jetzt für Anfang 2023 geplant. Aufgeschoben ist im Fall des Monroe-Quartiers also nicht aufgehoben. Die Bauträgergesellschaft S+S aus Marburg sieht sich »voll im Zeitplan«, wie Geschäftsführer Karsten Schreyer erklärt.

Es sei aber richtig, dass momentan in der gesamten Branche, insbesondere im Bereich Wohnimmobilien, eine »merkliche Zurückhaltung« aufgrund stark veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen herrsche. S+S beobachte die Gesamtentwicklung intensiv und werde Projekte hessenweit auch darauf ausrichten müssen.

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Die Zahlen der städtischen Bauordnungsbehörde in Gießen scheinen die Negativschlagzeilen auf den ersten Blick zu bestätigen.  © Oliver Schepp

Aktuelle Vorhaben liefen unverändert weiter, bei geplanten Projekten indes könne es zu Verschiebungen kommen, sollten sich die Rahmenbedingungen nicht merklich verbessern. »Aus heutiger Sicht kann es auch das Projekt Monroe-Quartier betreffen. Wir sind jedoch bestrebt, der Stadt Gießen und ihren Einwohnern dieses tolle Projekt so zeitnah wie möglich zur Verfügung zu stellen, denn der Bedarf ist nach wie vor sehr groß«, betont Schreyer. Noch in diesem Jahr will S+S das Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren abschließen. Parallel laufe die sehr umfangreiche Ausschreibungsphase mit allen Gewerken für die gesamten Baumaßnahme.

Bauen in Gießen: Investor erwartet hartes Jahr 2023

Auch auf einer Baustelle an der oberen Marburger Straße herrschte seit Monaten mehr oder weniger Stillstand. Vor einigen Tagen ging es weiter mit den Abriss- und Erschließungsarbeiten. Dem Wohnungsprojekt Westhang Living hätte ein leerstehendes Autohaus schon früher weichen sollen, im dahinterliegenden Gelände, der sogenannten Rinnschen Grube, sollten Erdaufschüttungen stattfinden. Projektentwickler Jochen Ahl, Gesellschafter der im vergangenen Jahr gegründeten Regio Bau- und Bodenentwicklungsgesellschaft Gießen (RBB), spricht von »projektbezogenen« Verzögerungen. Im November gehe es voran, kündigt Ahl an. Im Moment geht er trotz schwieriger Rahmenbedingungen davon aus, dass er die allermeisten seiner Projekte, zu denen auch die Umnutzung des Brauhausgeländes gehört, durchziehen kann. Insbesondere in Gießen sei die Nachfrage nach Wohnungen unverändert hoch. »Noch ist es ruhig«, sagt Ahl, der allerdings ab dem zweiten Quartal 2023 mit einer Verschärfung der Lage rechnet. Es kämen einfach zu viele Dinge zusammen. »Das habe ich den 30 Jahren, in denen ich in der Branche tätig bin, so noch nicht erlebt«, sagt Ahl. Er verweist aber auch auf die langanhaltende Hochkonjunktur, in der Unternehmen glänzende Geschäfte gemacht hätten.

Bauen in Gießen: Rückgang bei Bauanträgen

Die Zahlen der städtischen Bauordnungsbehörde scheinen die Negativschlagzeilen auf den ersten Blick zu bestätigen. Zwischen Mai und Ende Oktober sei die Zahl der Bauanträge im Vorjahresvergleich um 20 Prozent zurückgegangen, sagt Stadtsprecherin Claudia Boje. Allerdings sei die Zahl der Bauanträge vor einem Jahr auch »recht hoch« gewesen, fügt sie hinzu.

Auf der größten Gießener Wohnbaustelle bietet sich dagegen ein gewohntes Gießener Bauboom-Bild. Auf der Philosophenhöhe an der Grünberger Straße drehen sich die Kräne über etlichen Rohbauten. »Derzeit befinden sich zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 22 Wohnungen sowie 20 Reihenhäuser im Bau. Für zehn weitere Reihenhäuser werden in Kürze die Erstellungsarbeiten aufgenommen«, bestätigt Kai Bülow, Geschäftsführer des Gießener Bauträgers Depant, den optischen Eindruck. Erste Wohnungen und Häuser für ein noch leeres Baufeld im nördlichen Bereich seien bereits veräußert worden. Auch mit den inneren Erschließungsarbeiten des Quartiers sei begonnen worden. »Es wird vor Ort weiterhin sichtbare Veränderungen auf dem Gelände geben, sodass schrittweise wesentliche Teile des zukünftigen Quartiers erkennbar sein werden«, kündigt Bülow an. Depant, das auf dem früheren Motorpoolgelände der US-Armee mit dem Unternehmen Wilma aus Frankfurt tätig ist, bewege sich auch bei allen anderen Vorhaben »im gesteckten Zeitplan«. (Burkhard Möller)

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