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»Die Attraktivät des Pflegeberufes steigt«

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Von: Sebastian Schmidt

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Am Johannesstift bekommen Mitarbeiter zum Tag der Pflege einen Urlaubstag geschenkt. Wegen der Belastung der letzten zwei Jahre, sagt Heimleiterin Christa Hofmann-Bremer. © Sebastian Schmidt

Die Corona-Pandemie hat eine Berufsgruppe ganz besonders in den Fokus gerückt: Pflegekräfte. Ob im Krankenhaus oder im Altenheim - die Mitarbeiter hatten oft unter einer hohen Arbeitsbelastung zu leiden. Verbessert hat sich an den Rahmenbedingungen trotzdem nur wenig. Heute ist der Internationale Tage der Pflege - und Christa Hofmann-Bremer, die Leiterin des Johannesstifts, erklärt, was das Problem ist.

Frau Hofmann-Bremer, ob im Krankenhaus oder im Altenheim, Pflegekräfte beklagen sich über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Wo liegt eigentlich das Problem in diesem Berufsfeld?

Es benötigt endlich eine realitätsnahe Personalbemessungsgrundlage, die berücksichtigt, dass Pflege nur bedingt in festgelegten Zeitkorridoren erfolgen kann. Zum Beispiel brauchen hochaltrige Menschen für Alltagsverrichtungen eben mehr Zeit, und bei ausgeprägter Pflegebedürftigkeit benötigt auch die Pflege und Betreuung mehr Zeit.

Wie hat sich die Corona-Pandemie bei den Mitarbeitern im Pflegeheim bemerkbar gemacht?

Die Belastung im Pflegeheim war enorm gestiegen. Es ging immer wieder darum: Wer muss jetzt von den Bewohnern und Mitarbeitern in Quarantäne? Haben wir noch genügend Pflegepersonal, um die Menschen zu versorgen? Das hat eine hohe Flexibilität bei den Arbeitszeiten von den Mitarbeitern gefordert. Aber auch psychisch waren die vergangenen Jahre eine Herausforderung. Die Pflegekräfte mussten lernen, mit der hohen Sterblichkeit der Bewohner umzugehen. Gleichzeitig haben wir gelernt, mit der Pandemie umzugehen, die Situation ist durch die hohe Impfquote jetzt stabil.

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht, der Leiterin eines Pflegeheimes, der Lohn der Pflegekräfte?

Ich glaube, es geht nicht um mehr Geld. Wir zahlen Tariflohn, und es gibt auch regelmäßig Tarifsteigerungen. Auch bei Vorstellungsgesprächen erlebe ich nie, dass das Gehalt ein großes Thema wäre.

Ein Thema ist aber die Intensität der Arbeit. Wie lässt sich das Problem aus Ihrer Sicht lösen?

2023 soll sich endlich etwas ändern und der Personalschlüssel angepasst werden, Stichwort Personalbemessungsgrundlage. Das Fachkräfteproblem wird aber nicht in wenigen Jahren gelöst werden können. Ein erster wichtiger Schritt ist, über neue Assistenzausbildungen und einen veränderten Personalmix nachzudenken.

Gibt es ein Problem mit der Attraktivität der Ausbildung? Stichwort: Generalistische Pflegeausbildung.

Die Attraktivität des Pflegeberufes steigt seit Jahren, wir sehen wachsende Zahlen im Ausbildungsmarkt. Die wachsen eben nur nicht schnell genug im Vergleich zur steigenden Nachfrage. Und auch die generalistische Pflegeausbildung ist positiv zu sehen: Pflegekräfte erhalten dadurch die Möglichkeit, während der Ausbildung Pflegesituationen über die gesamte Lebensspanne von der Geburt bis zum Tod kennenzulernen und sektorenübergreifend tätig zu werden, ambulant und stationär, in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen.

Mangelt es einfach an Wertschätzung für die Pflegekräfte?

Ich finde es merkwürdig, dass wir immer wieder über Wertschätzung reden. Es gibt doch kaum Berufe, die in unserer Gesellschaft als wichtiger empfunden werden als Berufe im Gesundheitswesen. Das bekommen wir auch in unserer täglichen Arbeit zu spüren. Die Diskussion um die Wertschätzung lenkt von dem eigentlichen Problem ab: der Personalbereitstellung.

Sie werben an der Fassade des Johannesstifts jetzt mit einem besonderen Bonus zum heutigen Internationalen Tag der Pflege.

Wir wollen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen, dass wir die besondere Belastung der vergangenen beiden Jahre wahrgenommen haben und ihnen auch für ihre Arbeit und Treue danken. Mit einem zusätzlichen Urlaubstag wollen wir die Selbstfürsorge unterstützen - also Zeit geben zum Erholen.

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