Der mysteriöse Fall aus dem Stippbachtal

Gießen (jou). Mordverbrechen aufzuklären ist meist weniger spektakulär, als man dies von Fernsehserien kennt. Die Kriminalpolizei verfolgt Schritt für Schritt Spuren - viele bleiben ergebnislos. Von der beharrlichen Ermittlungsarbeit erzählt Erwin Müller in seinem Erstlingskrimi »Todes Transit« über einen bis heute ungeklärten Leichenfund vom 16. November 1981 im Stippbachtal bei Sinn.
Müller war als junger Kriminalbeamter an den Ermittlungen beteiligt. Im Rahmen des Krimifestivals begnügte er sich nicht mit einer gewöhnlichen Lesung im Alten Schloss, erzählte vielmehr über weite Strecken frei über den mysteriösen Fall, veranschaulichte seine Erläuterungen zudem durch Bildprojektionen. In der Einführung lobte der ehemalige Polizeivizepräsident Peter Kreuter die aufwendige Recherche sowie den Spannungsreichtum.
Für die Arbeit am Buch durfte Müller die Akten mit nach Hause nehmen. Mitte der 2000er Jahre habe er angefangen, darüber zu schreiben, merkte dann aber, dass das literarisch noch nicht reichte. Später reifte die Idee, einen Erzählstrang zum Täter und Opfer zu konstruieren und einen Bezug zum Stippbachtal herzustellen.
In der zunächst gelesenen Passage beschreibt der Autor, wie zwei Zeugen an einem Feldweg die verbrannte Männerleiche finden. Wie die Obduktion ergibt, wurde das Opfer rund vier Wochen zuvor erschlagen. Die Spurensicherung habe einen ganzen Tag gedauert, berichtete Müller. Wichtigste Spur sei die Leiche gewesen. Der Mann hatte eine Oberkieferprothese, dadurch konnten schon einmal viele Vermisste ausgeschlossen werden.
Bis heute wird an dem Fall gearbeitet
Das Publikum folgte gebannt Müllers Ausführungen zu den Ermittlungen der Kripo Dillenburg. Da fuhr er, erzählte er mit abgeklärt-ruhiger Stimme, mit einem Zeugen ins Stippbachtal, der drei Verdächtige samt schwerem Gegenstand in einem VW Käfer gesehen haben will. 147 Käfer kommen in Frage, alle Halter werden gefunden, doch bleibt die Fährte erfolglos.
Einen Anhaltspunkt liefert die Zahnprothese, die darauf hindeutet, dass das Opfer aus dem Balkan kommt - für Müller eine Initialzündung, den Zweitstrang des Krimis im ehemaligen Jugoslawien anzusiedeln. Die frei erfundenen Lebensgeschichten konfrontieren mit einem Albaner, der Zeuge wird, wie ein SS-Offizier seinen Onkel ermordet, und sich rächen will. Voller Nervenkitzel steckt bereits der Prolog, in dem Ersterer in Gefangenschaft gefoltert wird.
Die realen Ermittlungen erhalten neuen Schub, als ein Kieler Spezialist anhand des Schädels das Gesicht des Opfers rekonstruiert und der Fall 1985 in »Aktenzeichen XY« landet. Immerhin 44 Hinweise gibt es nach der Sendung, so Müller, doch wird das Verfahren Ende 1987 eingestellt. Bis Müller bei einer Lesung in diesem Mai an die Spur einer Person im Halblichtmilieu erinnert wird; daran werde bis heute gearbeitet, sagte er zum Schluss der bewegenden Veranstaltung. FOTO: JOU