Der Countdown läuft

Ab 18. August wird die ehemalige Klosteranlage auf dem Schiffenberg wieder zur Festivalbühne. Dennis Bahl präsentiert dort nach zweijähriger Corona-Zwangspause prominente Musiker. Sein Gießener Kultursommer zählt mittlerweile zu den größten Festivals in Hessen. Wie viel Arbeit und Nerven die Vorbereitung erfordert, wird im Gespräch mit dem Konzertveranstalter deutlich.
Lauschige Sommernächte, coole Musik-Acts, eine eher familiäre Atmosphäre mit »nur« knapp 4500 Zuschauern pro Konzert und jede Menge Prominenz auf der Bühne - der Gießener Kultursommer hat sich mittlerweile seinen festen Platz im Terminkalender erobert. Und immer wieder empfehlen Musiker, die die besondere Open-Air-Atmosphäre auf Gießens Hausberg kennengelernt haben, den Kultursommer als coole Location an ihre Kollegen weiter.
So kann Dennis Bahl, der den Gießener Kultursommer zum fünften Mal veranstaltet, in diesem Jahr wieder zwischen dem 18. August und 3. September zu 15 Konzerten mit Künstlern unterschiedlichster Genres einladen: Heavy Metal mit Hammerfall, Rap mit Sido, Dancemusic mit DJ Bobo, Disco mit Jan Delay oder Schlager mit Ben Zucker - da bleiben kaum Wünsche offen. Bereits über 40 000 Tickets sind verkauft, der Countdown läuft.
Ausnahmsweise
16 statt zwölf Tage
Doch es liegen zwei harte Jahre hinter Bahl und seinem knapp 100 Mitarbeiter zählenden Kultursommer-Team. Denn zweimal musste das Festival schon wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Diese Einnahmeausfälle kann der Veranstalter nicht wettmachen, auch wenn er in diesem Jahr froh ist, »dass die Stadthallen GmbH, unser Vermieter, so entgegenkommend war, uns in diesem Jahr ausnahmsweise 16 Tage anstatt zwölf spielen zu lassen«. Das gebe zumindest theoretisch die Chance, ein besseres Gesamtergebnis zu erzielen. Gleichzeitig steige gerade in diesen Zeiten das Risiko deutlich, »da wir nur hoffen können, dass sich die Menschen wieder mehr trauen, auf Feste und Veranstaltungen zu gehen«. Aber die letzten zwei Jahre hätten natürlich trotz Hilfen und pandemiegerechten Hybridkonzepten »ihre wirtschaftlichen und moralischen Spuren hinterlassen«.
Die Herausforderungen sind in diesem Jahr zudem besonders hoch. »Es ist eine sehr seltsame Stimmung und Situation, in der wir uns befinden. Es ist wie der Moment kurz bevor der Korken knallt, aber irgendwie will er nicht so recht losgehen«, beschreibt es Bahl. Es gebe derzeit überall Materialknappheit, angefangen vom Mietmaterial wie Bühne, Gitter, Container und vieles mehr. »Die gesamte Infrastruktur scheint uns sprichwörtlich zu entgleiten. Preise steigen überall. Mit Lieferketten haben wir zum Glück nur wenig Probleme, aber Personal zu finden hingegen schon.« So seien in den letzten zwei Jahren viele in andere Branchen gewechselt, die krisensicher sind - und kämen auch nicht wieder.
»Im Augenblick macht es ehrlich gesagt keine große Freude, Veranstaltungen zu planen, da du dir nicht sicher sein kannst, ob das, was du geplant hast, so überhaupt stattfinden kann«, gibt Bahl zu und ergänzt: »Dieses Jahr heißt es einfach Zähne zusammenbeißen und durch.«
Und dabei soll doch 2022 das fünfjährige Jubiläum des Kultursommers, genauer dessen fünfte Auflage, ausgelassen gefeiert werden. Und das »mit dem besten Programm, das wir bislang hatten«. Das Kultursommer-Team sei aber vor allem froh, dass es überhaupt losgehen kann und freue sich auf den »Spirit vom Schiffenberg«. »Wir haben so lange auf Live-Open-Airs verzichten müssen, dass es schön ist, endlich wieder starten zu können«, sagt Bahl.
Dass der Kultursommer auch tatsächlich stattfindet, ist sich Bahl nach wie vor sicher, auch wenn es die Politik Veranstaltern nicht gerade leicht mache und sie mit manchen Dingen auch allein lasse. »Eine Maskenpflicht sowie Impf-Testpflicht wird es zum jetzigen Planungsstand nicht geben«, informiert er. Natürlich könne man sich selbst immer noch schützen mit dem Tragen einer Maske. »Das liegt aber dann in der Entscheidung jedes Einzelnen. Wir - Crew und Personal - achten natürlich auf strenge Hygieneregelungen.«
Und sollte tatsächlich einmal jemand aus der Crew oder gar ein Künstler wegen Corona kurzfristig ausfallen - so wie es Bahl erst dieser Tage bei einer Veranstaltungsreihe in Marburg mit Konstantin Wecker erlebt hat - gibt es gegebenenfalls Ersatz oder zumindest kann das Publikum schnell über einen Ausfall informiert werden. »Wir sind in unserer Kommunikation sehr schnell und über die Presse, Rundfunk und soziale Medien kann man schon sehr viele Menschen in kürzester Zeit erreichen. Da ist in den letzten Jahren sehr viel an Geschwindigkeit gewonnen worden.«
Viele Kultursommer-Besucher haben ihre Karten von vorherigen Ausfallterminen behalten - teils schon seit 2019. Nur mit dem Neuverkauf hapert es ein bisschen. »Wir merken momentan leider viel Zurückhaltung beim Kauf von Karten«, berichtet Bahl. Das mache die Planung für ihn sehr schwierig. »Wir investieren derzeit unheimlich viel Energie und letztlich auch Geld in Werbung. Es ist wirklich wie ein Auto, das zu lange gestanden hat. Es kommt alles so unheimlich langsam in die Gänge. Da ist man schon ziemlich gefrustet.« Er könne nur dazu ermuntern, Tickets zu kaufen. »Im Kultursommer steckt schon viel Liebe und Leidenschaft. Der Schiffenberg ist einfach hierfür eine traumhafte Spielstätte. Hiervon sollte sich jeder überzeugen, der noch nicht da war«, wirbt er und betont: »Trotz aller Entbehrungen und Anstrengungen sind wir allesamt sehr stolz, so eine wunderbare Reihe hier in der Nähe präsentieren zu können.«

