Das Unglück als Chance nutzen

Der Brand im historischen Hörsaal des Liebig-Museums war ein Schock für die Mitglieder der Liebig-Gesellschaft. Nun zeigen sie sich bei einem Ortstermin mit OB Frank-Tilo Becher aber auch zuversichtlich, das Unglück als Chance nutzen zu können.
Erst seit Dienstag dieser Woche sind Jan Frank, Einsatzleiter des Schadensanierers Belfor, und seine fünf Mitarbeiter im Liebig-Museum im Einsatz. Denn erst ab Weihnachten wurde das Gebäude von den Brandermittlern zum Betreten freigegeben. Aufgabe der Männer ist nun die grundhafte Reinigung des Gebäudes von den Schäden, die das am Abend des 5. Dezember im historischen Hörsaal ausgebrochene Feuer verursacht hatte. Aktuell entfernen die Männer dicke Rußschichten von Möbeln, Wänden, Behältnissen und Bildern - nicht nur im Hörsaal selbst, sondern auch in den angrenzenden Laborräumen und der Bibliothek. Der Ruß wird erst abgesaugt, dann im Handwaschverfahren mit Lappen und einem Reiniger als Katalysator entfernt. »Wir gehen nicht nur mit einem Lappen drüber, sondern nutzen auch Pinsel«, erläutert Frank. Auch die Bücher aus den mit Glastüren verschlossenen Schränken müssen noch in eine Ozonkammer gebracht werden, damit der beißende Rauchgeruch entfernt wird. Erst wenn die Grundreinigung durchgeführt ist - Einsatzleiter Jan Frank hofft, dass er binnen zwei Wochen das Museum wieder verlassen kann -, kann der Denkmalschutz die restauratorisch notwendigen Arbeiten einschätzen und können Spezialfirmen für Gemälde, Möbel und Skulpturen engagiert werden.
Schon für die ersten Sanierungsschritte werden die als Schadenssumme genannten 100 000 Euro benötigt. Am Ende ist wohl eine deutlich höhere Summe fällig. Wie viel die Versicherung davon übernimmt, ist noch unklar.
Beim Ortstermin mit Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, der der Liebig-Gesellschaft seitens der Stadt fachliche und beratende »Hilfe aller Art« zusagte, machten am Donnerstag Gerd Hamscher als Vorsitzender der Liebig-Gesellschaft, sein Stellvertreter Richard Göttlich sowie Kurator Bernd Commerscheidt noch einmal deutlich, wie sehr das Museum doch »mit einem blauen Auge« davongekommen ist. Weil die Mieterin im Haus schnell einen Alarmruf absetzte und die Feuerwehr den Brand, der sich am Abend nach einer Experimentalvorlesung aus noch unbekannter Ursache entwickelt hatte, binnen weniger Minuten und ohne große Wassermassen löschen konnte, blieb der Schaden überschaubar. Und nur weil die äußeren Fenster des Hörsaals nicht geborsten waren, blieb es bei einem Schwelbrand. »Das war ganz entscheidend dafür, dass nicht noch mehr passiert ist«, betont Hamscher.
Die Sitzbänke im Hörsaal - die ersten vier Reihen sind noch original aus Justus Liebigs Zeit - sind erhalten geblieben, zeigen aber deutliche Hitzespuren im Lack. Endgültig zerstört wurden aber der Experimentiertisch im Hörsaal und die Tafel darüber. Weil es historische Zeichnungen und auch einen virtuellen Rundgang auf der Museumshomepage gibt, dürfte eine authentische Rekonstruktion hier gut möglich sein.
Während im Hörsaal bereits jetzt wieder große Teile der grau-beigen Wandfarbe von Ruß befreit sind, sind die Rauchspuren im angrenzenden pharmazeutischen Labor derzeit noch unbehandelt. Hier war über den Dachstuhl und einen historischen Einbauschrank beißender Rauchgeruch in die angrenzende Mietwohnung gezogen und hatte die Mieterin auf den Brand aufmerksam gemacht.
Erste Teilführungen wohl bald möglich
Noch ist nicht abzuschätzen, wie lange die Sanierung dauern wird. Die Liebig-Gesellschaft will aber die Lage auch nutzen, das Museum hinsichtlich Gebäude- und Sicherheitstechnik fit für die Zukunft zu machen und einen »Masterplan« zum weiteren Vorgehen, auch als Museumsbetrieb, aufstellen. Im Hörsaal soll etwa die Decke abgehängt werden, um eine mit Fernwärme arbeitende Deckenheizung zu installieren. Erste Teilführungen, wenn auch kein regulärer Museumsbetrieb, könnten wieder ab Ende Januar möglich sein. Am Termin 29. März zur feierlichen Übergabe des Historical Landmark Awards der European Chemical Society in Anwesenheit des Ministerpräsidenten will die Liebig-Gesellschaft auf jeden Fall schon einmal festhalten.