1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

Verein für Geflüchtete bekommt neuen Standort

Erstellt:

Von: Sebastian Schmidt

Kommentare

Sarah Kempf vom Verein »an.ge.kommen« bezieht neue Räume im Monroe-Quartier. Die Projektleiterin für Gemeinwesenarbeit will von hier aus den Menschen in Gießen-Ost als Ansprechpartnerin bereitstehen.
Sarah Kempf vom Verein »an.ge.kommen« bezieht neue Räume im Monroe-Quartier. Die Projektleiterin für Gemeinwesenarbeit will von hier aus den Menschen in Gießen-Ost als Ansprechpartnerin bereitstehen. © Oliver Schepp

Ein Verein kümmert sich um den Austausch zwischen Geflüchteten und der Gießener Stadtgesellschaft. Diesen Austausch zu realisieren, ist nicht immer einfach.

Gießen – Die Situation Geflüchteter, die vergangenes Jahr aus den Wohnungen am Kellertheater-Quartier ausziehen mussten, ist teils weiter problematisch. Einige wohnen nun bei Bekannten auf der Couch, andere in einer Obdachlosenunterkunft. Das erzählt Sarah Kempf vom Verein «an.ge.kommen«, der jetzt wieder Büroräume in Gießen-Ost bezogen hat.

Sarah Kempf muss sich erst einmal neu sortieren. Die Mitarbeiterin von «an.ge.kommen«, dem Verein, der sich für den Austausch zwischen Geflüchteten und der Gießener Stadtgesellschaft stark macht, bezieht gerade neue Räume im Zentrum für interkulturelle Bildung und Begegnung (ZiBB) in Gießen-Ost. Kempf ist dort für die Gemeinwesenarbeit zuständig, will also den Bewohnern des Stadtteils dabei helfen, ihre Interessen zu vertreten und ihre Lebenssituation zu verbessern. Dabei steht der Verein gerade vor der Herausforderung, neue Kontakte zu knüpfen, denn nachdem viele Geflüchtete aus ihren Wohnungen im Kellertheater-Quartier entmietet wurden, hat sich die Nachbarschaft verändert.

Gießen: Alte Wohnungen für Geflüchtete nicht zumutbar

»Wir haben gerade eine Löwenaufgabe hinter uns«, sagt Kempf. Vergangenes Jahr - mitten in der Pandemie - mussten rund 150 Menschen, zum Großteil Geflüchtete, eine neue Bleibe finden. Die Mietverträge ihrer Wohnungen im Gebiet um das ehemalige Kellertheater, wo nun das Marburger Unternehmen S+S Grundbesitz neue Häuser errichten will, endeten spätestens am 31. Dezember 2021. »Wir hatten ein Jahr Zeit, etwas für die rund 150 Menschen zu finden.« Da viele von ihnen aber nur Jobcenterbezüge erhalten, sei die Suche schwierig verlaufen und bis heute nicht in jedem Fall erfolgreich. So schlafen weiterhin einige der Betroffenen zur Zeit bei Bekannten auf der Couch oder im Männerheim der AWO.

Dabei will Kempf keinen Hehl daraus machen: Die Wohnsituation in der Nachbarschaft sei »sehr schrecklich« gewesen. Die Geflüchteten haben dort oft nur gewohnt, weil sie sonst nichts finden konnten. Die Wohnungen haben geschimmelt und es habe Kakerlaken gegeben, sagt Kempf. »Die ganze Nachbarschaft war dementsprechend stigmatisiert.«

Zentrale Anlaufstelle in der Innenstadt von Gießen

«an.ge.kommen« habe in dem Quartier Kontakte zu den Bewohnern geknüpft, sie beraten oder auch Feste veranstaltet, bei denen sich die Menschen aus der Nachbarschaft besser kennenlernen konnten. Nach dem Umzug des Vereines von der Sophie-Scholl-Schule in die Walltorstraße sei Kempf zwar weiterhin regelmäßig in Gießen-Ost gewesen, aber eine richtige Anlaufstelle vor Ort hatte seitdem gefehlt.

»Das wurde aber auch erstmal als nicht so störend empfunden«, sagt Kempf. Denn viele der Geflüchteten, mit denen sie zusammengearbeitet hatte, lebten, nachdem sie umziehen mussten, über die ganze Stadt verteilt. Die zentral gelegenen Räume in der Walltorstraße seien von den Menschen deswegen weiterhin als Anlaufstelle genutzt worden. »Jeder muss ja mal in die Innenstadt.«

Viele Menschen mit Fluchtgeschichten in der Gießener Nachbarschaft

In Zukunft will Kempf nun den »Spagat« machen und weiterhin als Ansprechpartnerin in der Walltorstraße dienen, aber auch zehn bis 15 Wochenstunden in den neuen Räumen im ZiBB sein. Denn es gebe in Gießen-Ost auch außerhalb der Nachbarschaft in der Rödgener Straße immer noch viele Menschen mit Fluchtgeschichten.

»Jetzt muss ich schauen, wie ich Zugang zu ihnen finde.« Wegen der Corona-Pandemie sei es im Moment natürlich schwierig, neue Kontakte zu knüpfen, aber trotzdem hat Kempf bereits ein paar Ideen. So möchte sie die Menschen zum Beispiel über Sprachkurse im ZiBB »andocken« oder auch den Kontakt zu Geflüchteten, die nach der Entmietung aus dem Kellertheater-Quartier in Gießen-Ost umgezogen sind, suchen.

Das ZiBB in der Hannah-Arendt-Straße sei dabei ein idealer Ort für «an.ge.kommen«, da der Verein hier in der Vergangenheit bereits Veranstaltungen durchgeführt hat. Und auch vom Stadtteil ist Kempf weiterhin begeistert: »Hier passiert so viel, und ich bin echt überrascht, dass auch so viele soziale Akteure in Gießen-Ost mitgestalten wollen.« So gebe es zum Beispiel Stadtteilkonferenzen, auf denen die Verkehrssituation diskutiert wird. Kempf sagt: »Hier passiert sehr viel von unten, das sehe ich super positiv.« (Sebastian Schmidt)

Aktuell kommen zahlreiche Menschen aus der Ukraine. Die Kinder der Geflüchteten brauchen auch hier eine Betreuung – die Kitas in Gießen sind allerdings ohnehin nahe an der Überlastungsgrenze.

Auch interessant

Kommentare