Das Ich und die Arbeit

Im Rahmen der »Ich.Morgen«-Reihe hat die Stadtbibliothek in den letzten Wochen die Gießener zum Thema Arbeit befragt. Am Wochenende schloss dieser Themenbereich mit einem vierstündigen Event im Rathaus. Höhepunkt war eine Diskussionsrunde mit Experten zum Thema Wertschätzung und Arbeitswelt, die auch als Livestream übertragen wurde.
Dass der vierstündige Themenabschluss der »Ich.Morgen«-Reihe, genauer zum Unterthema »Ich.Arbeit«, am Samstag im Rathaus nur schwach besucht war, ist wohl nur mit der herbeigesehnten sommerlichen Witterung zu erklären. Denn in den Wochen zuvor fanden sich am Bib-Satelliten, der Außenstelle der Stadtbibliothek, sehr wohl zahlreiche Interessenten ein, um ihre Gedanken zum Thema Arbeit zu formulieren, die sich nun auf der Homepage ichmorgen.de wunderbar nachlesen lassen.
Doch das, was Kulturamt, Literarisches Zentrum, Stadtbibliothek und das gesamte »Ich.Morgen«-Team am Wochenende als vierstündige´s Themenabschlussevent in Präsenzveranstaltung auf die Beine gestellt hatten, hätte durchaus mehr Zuspruch verdient gehabt.
Ein selbstkomponiertes Arbeitslieder-Medley von Kim Hamann auf dem Vorplatz, ein Kurzvortrag mit Mitmachübungen von Anne Rosenkranz-Bach zum Thema »Prävention und Gesundheitsförderung«, Christian Lugerths Auftritt als Moritatensänger zu Zeichnungen von Tillmann Schorstein, Einblicke in die Arbeit des »Ich.Morgen«-Vermittlerteams oder Kurzinterviews mit Vertretern von Arbeitsloseninitiative, dem Elternverein für leukämie- und krebskranke Kinder sowie des Bestattungsunternehmens Tränkner- in Dauerschleife via Leinwand in der an diesem Tag durchgehend geöffneten Stadtbibliothek - allein diese Aufzählung zeigt, wie umfangreich das Angebot war.
Höhepunkt war am Abend eine Expertendiskussion im Hermann-Levi-Saal, die Frank Hölscheidt, Leiter der Wirtschaftsförderung der Stadt Gießen und des Stadtmarketings moderierte. Und das was, die vier Experten auf dem Podium dem Publikum im Saal und vor der heimischen Livestream-Übertragung als Denkanstöße zu den Themen Wertschätzung und Arbeitswelt referierten, lieferte jede Menge Denkanstöße.
»Das Gehirn kann nicht nachdenken, wenn es angemeckert wird«, gab Gertraud Wegst zu bedenken, die mit »Die Wertschätzer« Unternehmen in Sachen Verbesserung des Betriebsklimas berät. Eine destruktive Äußerung könne nur durch drei, besser sogar fünf wertschätzende Ansagen relativiert werden. Und dabei sei gerade die mangelnde Wertschätzung durch den direkten Vorgesetzten für den Hauptanteil von »innerer Kündigung« von Mitarbeitern verantwortlich.
»Arbeit ist mehr als Existenzsicherung«, betonte auch Christiane Kessler vom Betrieblichen Eingliederungs- und Gesundheitsmanagement der Stadt Gießen und regte an, im betrieblichen »immer schneller, höher, lauter« darauf zu achten, dass sich Belastung und Ressourcen die Balance halten, um die Gesundheit nicht zu gefährden. Man müsse Führungskräften deutlich machen, wie wichtig Sinnhaftigkeit, Handlungsspielraum und Lob auch für Arbeitnehmer seien.
Prof. Karlheinz Ruckriegel, der sich als Wirtschaftswissenschaftler an der TH Nürnberg auch der »Glücksforschung« verschrieben hat, riet, sich stärker an den skandinavischen Ländern zu orientieren und die Chancengleichheit zu verbessern. Für das subjektive Empfinden von Glück bringe ein Mehr an Einkommen nichts, solange das Mindestmaß vorhanden sei. Wichtig seien soziale Beziehungen, physische und psychische Gesundheit, ein Gefühl von Kontolle und Selbstwirksamkeit sowie das Erleben von »Sinn in dem, was wir tun.«
Dass die Ressourcen schlecht verteilt seien und dank eines bedingungslosen Grundeinkommens jedes Mitglied der Gesellschaft, unabhängig von bezahlter oder ehrenamtlicher Arbeit, seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten könne, betonte Werner Rätz. »Wertschätzung in der Arbeit hat auch immer etwas damit zu tun, den Menschen als Ganzes zu sehen«, betonte er. Der wahre gesellschaftliche Reichtum habe eine Menge mit dem zu tun, »was wir tun und was wir miteiander tun«.
Die gesamte Diskussion kann man sich noch einmal anschauen auf dem YouTube-Kanal von ichmorgen.de.

