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Danken in unsicheren Zeiten

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In den hellen Sommerwochen mag es manchmal gelungen sein, Sorgen zurückzudrängen. Aber nun bricht der Alltag wieder an. Die dunkle Jahreszeit liegt vor uns. Was hilft, Kopf und Mut oben zu behalten, im Sorgen-Strudel nicht unterzugehen? In dem Buch »Geflochtenes Süßgras« beschreibt Robin Wall Kimmerer, wie die Schulen der indigenen Onondaga-Nation eine Kultur der Dankbarkeit pflegen:

Dankbarkeit sei ihre Grundhaltung zur Welt.

In diesen Schulen beginnt und endet jede Schulwoche mit der Danksagung: Einem »Fluss von Worten«, in denen »alle Mitwesen, die ihre Gaben mit der Welt teilen«, persönlich angesprochen werden. Das dauert seine Zeit, wenn nicht nur allgemein der Mutter Erde, sondern auch allen Wassern, allen Fischen, allen Feldpflanzen, allen Beeren, allen Heilpflanzen, allen Bäumen, allen Tieren... ganz konkret für ihre jeweiligen Gaben gedankt wird. Nicht indigenen Beobachtern dauere das meist zu lange. »Was für ein Jammer, dass wir so vieles haben, wofür wir dankbar sein können«, kommentiert Kimmerer diese Ungeduld ironisch.

Der Akt der Dankbarkeit, auf den auch die Bibel hinweist und der im Gottesdienst seinen festen Platz hat, wirke harmlos, sei aber ein »revolutionärer Gedanke«: »In einer Konsumgesellschaft ist Zufriedenheit ein radikaler Vorschlag.« Wenn wir den Reichtum in unserem Leben erkennen statt der Knappheit, stärkt uns das gegen viele Ängste und die Unersättlichkeit. Die Danksagung erinnere daran, dass ich schon habe, was ich brauche.

Ich lese das und übe zum Ferienende das Danken. Ganz konkret benenne ich vieles von dem, was mir diese Zeit reich macht. Gar nicht so leicht, in all meinen Gedanken und Sorgen dafür Raum zu schaffen. Das kann und soll die Probleme nicht kleinreden. Aber Zuversicht braucht Stärkung.

Markus Ihle, evangelischer Schulpfarrer der beruflichen Theodor-Litt-Schule Gießen

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