Dank Hochschulen viele »leistungsfähige Spontanhelfer«

Gießen (mö). Erst die Flutkatastrophe im Ahrtal, dann der Krieg in der Ukraine und nun das schwere Erdbeben in der Türkei und Syrien: An den Zivil- und Katastrophenschutz richten sich seit einiger Zeit viele Fragen. Unter dem Eindruck des Angriffs Russlands auf sein Nachbarland hatte das Stadtparlament auf Initiative der CDU-Fraktion im März 2022 vom Magistrat einen Bericht zur Bevölkerungswarnung und zur Aufstellung des Katastrophenschutzes angefordert.
Der liegt nun vor und zeigt auch, wo es noch Lücken gibt und wo sie gerade geschlossen werden.
Eine gute Nachricht betrifft zunächst die gute alte Sirenenwarnung. Nach Angaben von Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, der für den Brand- und Bevölkerungsschutz zuständig ist, sind alle 31 Sirenenanlagen im Stadtgebiet »funktionsfähig«. Ersatzlos demontiert oder außer Betrieb genommen worden sei in Gießen in den letzten 20 Jahren keine einzige. Derzeit läuft laut Becher die Umstellung vom analogen auf einen digitalen Empfang des Funkalarms. Daher habe im vergangenen Jahr die übliche Wartung nicht durchgeführt werden können. Üblicherweise würden die Sirenen einmal im Jahr gewartet und getestet.
Als kreisangehörige Stadt ist Gießen trotz seiner Größe und einiger sensibler Großeinrichtungen wie dem Uniklinikum nicht federführend beim Zivilschutz. Oberste Katastrophenschützerin in Stadt und Landkreis ist Landrätin Anita Schneider. Nur wenn zur Leitungsebene der Kontakt abreißt, wird der Oberbürgermeister zum Chef der Unteren Katastrophenschutzbehörde. Das indes ist ein theoretisches Szenario, da Stadt und Kreis die Leitstelle für den Katastrophenschutz gemeinsam betreiben, derzeit noch in der Feuerwache Steinstraße, ab der zweiten Jahreshälfte dann im neuen Gefahrenabwehrzentrum im früheren US-Depot. Auf Stadtebene stehen laut Becher derzeit neue Stabsstrukuren zur Gefahrenabwehr vor der Erprobung.
Was die personellen Ressourcen betrifft, enthält Bechers Bericht eine interessante Aussage. Dank der Existenz von zwei Hochschulen dürfe im Katastrophenfall »mit einem hohen Aufkommen leistungsfähiger Spontanhelfer« gerechnet werden. Ein Einsatzkonzept für diese große Gruppe gibt es noch nicht. Zum Helferpool zählen auch die Mitarbeiter der Stadtverwaltung; dort werde gerade ein SMS-Verteiler aufgebaut, um alarmieren zu können. Das Profipersonal für die Katastrophenschutzeinheiten setzt sich aus Feuerwehren, THW und Rettungsdiensten zusammen. Was das Thema »Materialvorhaltung« betrifft, betreibt die Stadt selbst keine Lager mit haltbaren Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten. Vorhanden in größeren Mengen sind laut Becher Jodtabletten und ungefüllte Sandsäcke.