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Corona-Folgeschäden: Symptome nach überstandener Infektion beeinträchtigt Patienten „erheblich“

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Von: Christine Steines

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Haarausfall, Verlust des Geruchssinns, starke Müdigkeit: Die Betroffenen klagen in der Nachsorge-Ambulanz über unterschiedliche Symptome.

Gießen – Die Covid-Nachsorge-Ambulanz, in der der Infektiologe Ulrich Matt als Oberarzt tätig ist, ist eine Abteilung des Zentrums für Infektiologie am Uniklinikum Gießen. Matt erklärt im Interview, woran Corona-Patienten auch nach der Infektion noch lange leiden können.

Oberarzt Ulrich Matt im Interview mit der Gießener Allgemeinen Zeitung

Herr Dr. Matt, worüber klagen Patienten in der Nachsorge-Ambulanz am meisten?

Über Müdigkeit. Das ist sehr auffällig. Manche Patienten berichten, dass sie so viel schlafen wie noch nie in ihrem Leben und trotzdem müde sind.

Ihre körperlichen Kräfte sind noch nicht zurück?

Genau, und das beeinträchtigt sie erheblich. Wir haben ja auch Patienten mittleren Alters vor uns, die noch mitten im Berufsleben stehen.

Wer nimmt denn die Ambulanz in Anspruch?

Das sind vor allem Patienten, die zuvor stationär bei uns in der Klinik waren. Wir betreuen derzeit etwa 70 Menschen.

Patienten klagen über unterschiedliche Symptome nach einer überstandenen Coronavirus-Infektion. (Symbolbild)
Patienten klagen über unterschiedliche Symptome nach einer überstandenen Coronavirus-Infektion. (Symbolbild) © picture alliance/Niaid/Europa Press/dpa

Spätfolgen nach Corona-Infektion: Wie lange können sie andauern?

Welche Beschwerden gibt es außer Müdigkeit?

Wir beobachten, dass die Patienten kurzatmiger und weniger ausdauernd sind. Das betrifft wie alle anderen Symptome auch nicht alle Patienten. Zudem leiden einige unter Haarausfall, Geruchs- und Geschmacksverlust.

Gehen die Beeinträchtigungen im Laufe der Zeit zurück?

Ja, nach unseren Beobachtungen ist das meistens der Fall. Aber wir können natürlich heute noch nicht sagen, wie es in einigen Monaten oder in einem Jahr aussieht. Wir sehen ja nur die Entwicklung vom Zeitpunkt der Erkrankung bzw. der Genesung bis heute. Das sind bislang maximal sechs Monate.

Offenbar ist es sehr unterschiedlich, welchen Verlauf die Krankheit nimmt. Aber es ist auch individuell, wie sich die Rekonvaleszenz gestaltet.

Das stimmt. Wir alle kennen Menschen, die sich infiziert haben und kaum bis keine Symptome entwickeln. Aber wir hier in der Klinik sehen, wie lebensbedrohlich Covid werden kann. So ähnlich ist es auch später. Manche Erkrankten sind schnell wieder fit, andere gehen einen langen Leidensweg. Vor allem beeindruckt, welche Dynamik sich bei ansteigenden Infektionszahlen ergibt. Alles ist ruhig, und auf einmal müssen wir Betten suchen. Ohne entsprechende Maßnahmen wären die Krankenhäuser schnell überlastet.

Corona-Infektion beeinträchtigt Patienten nicht nur körperlich

Wie erleben Sie die Patienten?

Viele sind verunsichert. Man merkt, dass die Erkrankung sie auch psychisch mitnimmt, sie war ein Schock. Die Zeit auf der Intensivstation, insbesondere wenn eine Beatmung notwendig war, kann eine traumatische Erfahrung sein. Das ist belastend, nicht nur bei Covid, sondern generell. Wer das überstanden hat, der bricht vor Erleichterung und Dankbarkeit schon mal in Tränen aus.

Gibt es in der Folge weitere Beeinträchtigungen?

Tatsächlich berichtet ein Teil der Patienten, dass ihr Geruchs- und Geschmackssinn nicht mehr gut funktionieren. Gerade gestern schilderte mir eine Frau, dass ihr Schokolade nicht mehr schmecke und der Kaffee nicht dufte. Süßes und Bitteres wird nicht identifiziert. Das mindert natürlich die Lebensqualität.

Corona-Symptome: Kann die Heilung der Nachwirkung beschleunigt werden?

Gewohntes soll sogar anders riechen, und zwar unangenehm nach Fäkalien oder Abfluss....

Ja, diese Wahrnehmung wurde mir auch berichtet. Dieses Phänomen ist unterschiedlich ausgeprägt und bessert sich nach unseren Beobachtungen im Laufe der Zeit.

Kann man das beschleunigen?

Nein, man muss abwarten und Geduld haben. Nach Intensivaufenthalt ist, soweit möglich, eine Rehabilitation sinnvoll.

Spätfolgen einer Corona-Infektion: Patienten brauchen Geduld

Man braucht also Geduld statt Tabletten?

In der Regel schon. Natürlich gibt es bei einer Herzmuskelentzündung Medikamente, und bei einer asthmatischen Komponente kann man die Lungenfunktion mit einem Spray unterstützen, aber eine generelle Stabilisierung braucht Zeit.

Es sind also keine Lappalien, mit denen die Patienten sich plagen müssen.

Nein, auf keinen Fall. Angesichts der Leidensgeschichten ist die Diskussion über Impfrisiken manchmal auch befremdlich. Sicher, das gehört ordentlich studiert, aber leichte bis mittlere Nebenwirkungen sind wirklich zu vernachlässigen im Vergleich zu dem, was die Infektion anrichten kann. (Interview: Christine Steines)

Die Corona-Prämie der Bundesregierung wird an 433 Krankenhäuser vergeben – Das Gießener Uniklinikum geht leer aus. Die Mitarbeiter können die Begründung nicht nachvollziehen.

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