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Corona-Impfung: Virologe räumt mit Gerüchten zu Imfpstoffen auf

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Von: Sebastian Schmidt

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Die Spritzen mit dem Corona-Impfstoff sollen Leben retten, aber einige Menschen haben Angst vor Nebenwirkungen. Virologe Friedemann Weber hält Nebenwirkungen für selten.
Die Spritzen mit dem Corona-Impfstoff sollen Leben retten, aber einige Menschen haben Angst vor Nebenwirkungen. Virologe Friedemann Weber hält Nebenwirkungen für selten. © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Sind Corona-Impfstoffe sicher? Was weiß man über Nebenwirkungen? Der Gießener Virologe Prof. Friedemann Weber beantwortet die wichtigsten Fragen.

Laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin wollen sich im Moment nur 50 Prozent des Pflegepersonals gegen Corona impfen lassen. Können Sie das nachvollziehen?

Ich kann das schon verstehen. Es werden viele Desinformationen verbreitet - auch von Menschen mit akademischem Titel. Da müssen die Leute ja Angst bekommen.

Aber ist die Angst, zum Beispiel vor Langzeitfolgen, berechtigt? Das Paul-Ehrlich-Institut, das Bundesinstitut für Impfstoffe, hat auf Nachfrage dieser Zeitung gesagt, dass es so etwas wie Langzeitfolgen bei Impfungen generell nicht gebe.

Genau, denn Impfungen sind keine Medikamente. Ein Medikament nehme ich über längere Zeit ein, es wird vom Körper verstoffwechselt und seine Abbauprodukte können sich im Körper anreichern. Ein Impfstoff wird aber nicht vom Körper verstoffwechselt, sondern dem Immunsystem zugeführt.

Gießener Virologe im Interview: „Schädliche Impfkomplikationen selten“

Warum wird dann so viel von Langzeitfolgen gesprochen?

Was meistens gemeint ist, sind Impfkomplikationen, die man erst nach langer Zeit entdeckt - weil sie so selten sind. Nur nachdem eine hohe Anzahl an Menschen geimpft wurde, kann man bei sehr seltenen Nebenwirkungen sagen, dass es einen statistischen Zusammenhang mit der Impfung gibt. Aber auch diese Nebenwirkungen treten schon kurz nach der eigentlichen Impfung auf.

Laut dem Verband der forschenden Pharma-unternehmen wurden im Jahr 2018 in Deutschland 47 Millionen Impfungen durchgeführt. Dem Paul-Ehrlich-Institut wurden durch die Gesundheitsämter nur 3 570 Impfkomplikationen gemeldet. Sind Impfreaktionen wirklich so selten?

Grundsätzlich sind Impfreaktionen etwas Positives. Wenn der Arm nach der Impfung schmerzt oder jemand unter grippeähnlichen Symptomen leidet, bedeutet das, dass der Impfstoff wirkt: Das Immunsystem wurde aktiviert. Schädliche Impfkomplikationen sind aber in der Tat selten.

Gießener Virologe klärt über Corona-Impfungen auf: „Nie hundertprozentige Sicherheit“

Was ist ein Beispiel für eine schädliche Impfkomplikation?

Eine bestimmte Grippe-Impfung konnte das Guillain-Barré-Syndrom auslösen; Das führt zu Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen. Die Wahrscheinlichkeit, durch die Impfung das Syndrom zu bekommen, lag ungefähr bei eins zu einer Million. Aber, und das ist wichtig zu verstehen, die Grippe selbst erhöht die Wahrscheinlichkeit, am Guillain-Barré-Syndrom zu erkranken, wesentlich stärker. Und so verhält es sich oft mit Impfstoffen: Das Risiko einer Nebenwirkung ist geringer als bei der eigentlichen Krankheit.

Muss man davon ausgehen, dass auch die Corona-Impfungen schädliche Nebenwirkungen haben?

Was wir schon wissen, ist, dass es in seltenen Fällen zu einem anaphylaktischen Schock kommen kann. Deswegen wird der momentane Corona-Impfstoff nicht für Leute mit starken Allergien gegen den Inhaltsstoff Polyethylenglykol empfohlen. Und auch wenn die Corona-Impfstoffe sehr sicher sind: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Man muss immer zwischen den Risiken abwägen. Wer aber wirklich Angst vor Langzeitfolgen hat, sollte sich die Langzeitfolgen der Corona-Erkrankung ansehen, Stichwort: »Long Covid«. Die sind wesentlich häufiger als Impfkomplikation.

Zur Person

Professor Friedemann Weber ist der Leiter des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universität. Weber ist mit seinem Institut unter anderem an der Entwicklung von Impfstoffen beteiligt. Seit dem ersten SARS-Ausbruch forscht er auch zu Coronaviren.

Gießener Virologe zu Genveränderungen durch Corona-Impfstoff: „Das ist ein Mythos“

Es wurde davon berichtet, dass Menschen nach der Corona-Impfung gestorben waren.

Das war statistisch zu erwarten. Menschen sterben immer, gerade in der Gruppe der über 80-Jährigen. Im Moment gibt es aber keinen Hinweis, dass es einen Zusammenhang zwischen den Corona-Impfungen und den Todesfällen gibt.

Den mRNA-Impfstoffen wird nachgesagt, dass sie die Gene verändern können. Stimmt das?

Das ist ein Mythos. Der mRNA-Impfstoff ist ja kein Retro-Virus, das RNA in DNA umschreibt und in unsere Chromosomen einbauen kann.

Unfruchtbar nach Corona-Impfung? Gießener Virologe: „Perfider Mythos“

Der mRNA-Impfstoff soll angeblich Frauen unfruchtbar machen. Ist da etwas dran?

Ein weiterer Mythos, und der ist besonders perfide. Ein Protein des Corona-Impfstoffes gehört zur selben Klasse, wie ein Protein, das für die Plazentaentstehung wichtig ist. Deswegen wird behauptet, das Protein störe die Plazentabildung. Aber von dieser Proteinklasse gibt es sehr viele Vertreter, und keiner macht etwas mit der Plazenta. Das ist pseudowissenschaftlich hergeleiteter, mit Fachausdrücken garnierter Blödsinn.

Werden Sie sich impfen lassen, wenn Sie an der Reihe sind?

Auf jeden Fall, so bald wie möglich. Ich will dieses Virus nicht haben.

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