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Comeback der Straßenbahn in Gießen?

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Von: Burkhard Möller

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Innerstädtische Dauerstaus und Fahrverbote verhelfen derzeit einem Verkehrsmittel zu einem Comeback, das vor 65 Jahren aus dem Stadtbild von Gießen verschwand: Die Straßenbahn.

Nur noch wenige Monate, dann wird der Gießener Nahverkehr so sauber unterwegs sein wie vor 100 Jahren. Fast drei Millionen Euro werden in die Hand genommen, um die letzten zehn Busse im Fuhrpark der MitBus GmbH auf den schadstoffarmen Erdgasantrieb umzustellen, hinzu kommt der Bau einer neuen Tankstelle. Investitionen, in denen die Stadt einen Baustein auf dem Weg zu einer »immissionsfreien und nachhaltigen Mobilität« sieht, die mit der Umsetzung des Green City Plans näherrücken soll.

Unter dem Gesichtspunkt der Luftreinhaltung war Gießen beim Nahverkehr aber schon einmal weiter. Während heutzutage die E-Mobilität beschworen wird, aber nur in Zeitlupe vorankommt, lief der Gießener ÖPNV bis in die 1960er Jahren hinein in weiten Teilen »elektrifiziert«. Die Stadt war durchzogen von einem Spinngewebe aus Oberleitungen, an denen Straßenbahnen und Obusse hingen. Die 1909 mit zwei Linien gestartete elektrische Eisenbahn fuhr bis 1953 und wurde dann von den Oberleitungsbussen abgelöst, die wiederum vor 50 Jahren dem Ausbau Gießens zur autogerechten Stadt zum Opfer fielen. Fortan trugen Omnibusse mit Verbrennungsmotor die komplette Last des innerstädtischen Nahverkehrs, ehe die Stadtwerke ab 2009 schrittweise auf Erdgasantrieb umstellten.

In Gießen weckt die Straßenbahn bislang nur wehmütige Erinnnerungen an das alte Gießen, an dessen prächtigem Marktplatz sich die Linien kreuzten, die zwischen dem Bahnhof und Wieseck verkehrten. Später pendelten Obusse zwischen Kleinlinden und dem Ostviertel sowie bis nach Heuchelheim. Durch die Idee einer Regiotram hat die Projektwerkstatt Saasen unlängst darauf aufmerksam gemacht, dass moderne Straßenbahnen das Verkehrsmittel der Wahl sein könnten, um den Autoverkehr zu reduzieren. Das ist natürlich auch und vor allem eine Kostenfrage. »In Darmstadt kosten gut ein Kilometer Straßenbahn 20 Millionen Euro. Da kann man an die Idee aus der Projektwerkstatt getrost noch eine Null dranhängen«, meinte der Grünen-Stadtverordnete Markus Labasch bei der Sitzung des Verkehrsausschusses in dieser Woche.

Näherte sich eine fürstliche Person, musste der Triebwagen angehalten werden und durfte erst weiterfahren, wenn diese Person den Wagen passiert hatte

Aus »Stadtverkehr in Gießen« über die Anfänge der Straßenbahn 1909

Als Spinnerei von Außenseitern sollte man die Idee einer Regiotram zwischen Butzbach im Süden, Wetzlar im Westen, Marburg im Norden und Gießen in der Mitte nicht abtun, denn andernorts befasst sich die Kommunalpolitik längst mit Regiotram- und Citybahn-Konzepten. In Regensburg soll sie ebenso wiederkommen wie in Erlangen, ein Comeback feierte die Straßenbahn bereits vor Jahren in Heilbronn und Saarbrücken, diskutiert wird in Ingolstadt, Wuppertal, Stralsund sowie in Münster, über eine Regiotram in Wiesbaden und Mainz, aber auch in Gießens unmittelbarer Nachbarschaft.

In Marburg denkt man schon länger über eine Neuausrichtung des ÖPNV nach, es geht um Obusse, Seil- und und Straßenbahnen, Rathauschef Thomas Spieß bringt zudem eine Regiotram-Lösung ins Spiel und will die Landkreise Marburg-Biedenkopf, Gießen und die Stadt Gießen »ins Boot holen«.

In Gießen indes setzt man mittelfristig nicht auf die Schiene, denn die spielt im Green City Plan, der Maßnahmen bis 2030 nennt, keine Rolle. Zarte Bemühungen gelten der Erschließung neuer innerstädtischer Bahnhaltepunkte (siehe Kasten). Das Thema Straßenbahn überlässt die Stadtpolitik (noch) Randgruppen wie der Facebook-Initiative »Wiederaufbau der Straßenbahn Gießens «. Ihr Ziel ist es, bis 2025 im Stadtparlament einen Beschluss zum Aufbau eines »engmaschiges Straßenbahnnetzes« in Gießen herbeizuführen. 56 Personen gefällt das.

Zusatzinfo

Neue Bahnhaltepunkte

Die Absicht bleibt, konkrete Pläne für zwei zusätzliche Bahnhaltepunkte im Stadtgebiet am früheren US-Depot und an der Gleisgabelung Aulweg/Ebelstraße gibt es laut Stadt noch nicht. »In dieser Woche findet zu verschiedenen Fragen rund um den Regionalen Nahverkehrsplan des Rhein-Main-Verkehrsverbunds eine schon seit längerem anberaumte Sitzung statt, bei der wir unsere Interessen darlegen wollen«, erklärt Stadtsprecherin Claudia Boje. Ungeachtet von Detailfragen der gewünschten Haltepunkte und der Frage der Finanzierung sei seitens des RMV zu klären, welche Voraussetzungen ? zum Beispiel zum Bau von Ausweichgleisen ? erfüllt werden müssen, um zusätzliche Halte und vielleicht auch zusätzliche Verkehrsleistungen auf der Vogelsbergbahn realisieren zu können.

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