Bücher verschenken - aber wo?

Gelesene Bücher anderen zur Verfügung stellen und deren Lektüre mitnehmen: Die Idee ist überzeugend. In der Praxis erweisen sich Verschenkregale gerade in Gießen häufig als allzu betreuungsaufwendig. Jüngst hat wieder ein Anbieter aufgegeben - will auf lange Sicht aber wieder einsteigen.
Ein Gartenratgeber, ein Bestseller-Roman, ganze Krimireihen. Beim Aufräumen der Regale wächst der Stapel der Bücher, die man loswerden möchte. Bloß: Wo? In Gießen gibt es nur noch wenige Stellen, die Lesestoff zum Verschenken annehmen. Jetzt hat auch noch das Gebrauchtkaufhaus seine Bücherwand abgeschafft. Und das in der Corona-Zeit, die viele Menschen zum Ausmisten nutzen.
»Es hat überhand genommen«, sagt Mirjam Aasman, Geschäftsführerin der Jugendwerkstatt. Im Kaufhaus des Beschäftigungsträgers in der Weststadt fristete Literatur lange ein Nischendasein. Vergangenes Jahr erhielt sie mehr Platz Zwei Bücherwände zogen viele Interessierte an, die die große Auswahl zum günstigen Preis zu schätzen wussten. Aber eben auch Spender, die kistenweise Ausssortiertes abgeben wollten. Schon vor der Coronakrise erwies sich die Annahme und Lagerung als zu aufwendig. Zurzeit sei sie nicht zu leisten, erläutert Aasman. Nach langer Pause darf die Jugendwerkstatt zwar jetzt ihre Teilnehmer wieder vor Ort betreuen und hat das Kaufhaus geöffnet. Allerdings mit verkürzten Öffnungszeiten und komplett ohne Warenannahme: »Der Betrieb mit den neuen Hygienestandards soll langsam anlaufen.«
Auf lange Sicht, »vielleicht im nächsten Jahr nach unserem Umbau« will die Jugendwerkstatt wieder Lektüre-Umschlagplatz werden, hofft Aasman. Nicht nur weil Kunden in »unheimlich vielen Rückmeldungen« ihr Bedauern über den Abbau der Regale kundtun - sondern auch, weil das Weitergeben nützlicher Güter ein Kernanliegen des kirchlichen Vereins ist.
Bücher im Briefkasten
Verstaubende »Buchleichen« zu neuem Leben erwecken: Dem Literarischen Zentrum Gießen liegt das ebenfalls am Herzen, sagt Geschäftsführerin Janine Clemens. »Damit fördern wir nicht nur den Austausch von Literatur, sondern haben auch den Gemeinwohl-Gedanken im Blick.« Derzeit sind die hinteren Räume der Kongresshalle und damit auch die »Offenen Bücherregale« des Vereins - eines speziell für Kinderliteratur - allerdings geschlossen. Ab Juni werden sie zunächst einmal in der Woche wieder zugänglich sein.
Bücherspenden kann man in den Briefkasten werfen, also nur in kleinem Umfang loswerden. Auf die Mode, Überflüssiges mit einem »Zu-Verschenken«-Schild auf dem Bürgersteig anzubieten, sollte man laut Clemens dann Fällen verzichten. »Wir möchten an alle appellieren, Bücher nicht einfach auf die Straße zu stellen, wo sie garantiert durch die Witterung kaputt gehen.«
Die Betreuung der Regale sei »phasenweise sehr arbeitsintensiv und an anderen Stellen wieder ein »Selbstläufer«, so Clemens. Einige »Stammgäste« helfen mit, Ordnung zu halten. Vandalismus ist in den geschlossenen Räume selten, kam aber schon vor: »Letztes Jahr wurde das Regal mit Lasagne beworfen.«
Ärger mit Menschen, die die Bücherspenden zu Geld machen wollen, gibt es hier nicht mehr - weil das LZG nun wohlweislich jedes Buch mit einem Stempel versieht, der den Weiterverkauf untersagt. Die Stadtbibliothek hatte 2013 ihr Verschenkregal geschlossen, nachdem einige Männer regelmäßig um die »Ware« gerangelt hatten, auch lautstark und mit Ellenbogen-Einsatz.
Rettungsanker in der Plockstraße
Ein Rettungsanker in Corona-Zeiten für Geber wie Nehmer ist der Bücherschrank in der Plockstraße, den der Serviceclub Round Table 94 Gießen vor drei Jahren installiert hat. Alexander Dudka hat ihn damals für den Serviceclub konstruiert und wundert sich selbst darüber, dass es keine Zerstörungen und kaum Probleme gibt. Ein Erfolgsfaktor seien die robuste und ansprechende Bauweise, die sorgfältig geplant wurde - ein weiterer der Standort in einer »seriösen Ecke« der Innenstadt mit aufmerksamen Gastronomen. Im Wesentlichen sorgen die Nutzer selbst dafür, dass die Fächer immer gut gefüllt sind, aber nie überquellen.
In Gießen bisher kaum Fuß gefasst hat das »Bookcrossing«: Privatleute können Bücher »freilassen« und die Fundstellen im Internet bekanntgeben.