Bossa Nova geht immer

Der Mann ist einfach unfassbar gut! Als Musiker, Entertainer und Garant für einen unvergesslichen Konzertabend bezauberte Götz Alsmann mit seiner Band das Publikum in der Kongresshalle. Und das nicht nur, weil er Lieder über die »L.I.E.B.E.« sang.
Wer mit den alten Schlagern aufgewachsen sei, brauche keinen Dr. Sommer, um zu verstehen, was Liebe bedeutet. Da ist sich Götz Alsmann sicher. Der Magie der Schlager von den 1920er Jahren bis zu den Bossa-Nova-Hits aus den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik, die Herzeleid und Liebesfreud poetisch wertvoll besingen, ist der Professor für Popularmusik aus Münster schon lange erlegen. Und spätestens seit dem Konzert vom Montagabend in der gut gefüllten Kongresshalle auch das Gießener Publikum.
Musik lag sprichtwörtlich in der Luft, als sich Alsmann mit seiner Band sichtlich freute, endlich mal wieder als Bühnenkünstler einen solchen Abend »zelebrieren« zu dürfen. Im Gepäck hatte er sein jüngstes Projekt, das Album »L.I.E.B.E.«, in dem er sich dem guten alten deutschen Schlager widmet. Nicht den auf einer »Datscha auf Mallorca« am Computer zusammengezimmerten Stampfern, sondern den von wahren Meistern ihres Fachs wie Michael Jary oder Udo Jürgens komponierten und von begnadeten Interpreten wie Ilse Werner oder Greetje Kauffeld gesungenen Kostbarkeiten. Manches davon mag in Vergessenheit geraten, anderes noch bestens im Ohr geblieben sein. Alsmann holt all diese Kostbarkeiten wieder ins Rampenlicht.
Rudolf Nelsons wunderbares »Zauberlied«, Johannes Heesters »Man müsste Klavier spielen können« - hier mal als fesche Rockabilly-Version mit kecker Ansage an die »alten Heinis« der Band - oder Bert Kaempferts »L.I.E.B.E.«, in dem die Liebe alphabetisch erklärt wird - Götz Alsmann machte jedes Lied zu einem Fest. Und konnte dabei auf eine Band bauen, in der jeder für sich ein Ereignis ist. Allen voran Altfrid M. Sicking an Vibraphon, Xylophon, Glockenspiel und Trompete. Seine Klöppel tanzten beim »exotischen Mystikmambo Amigo« wie Derwische über das goldfarbene Vibraphon, streichelten es bei »Ganz leis’ erklingt die Musik« zum von Ingo Senst im Herzschlagtakt grandios gezupften Kontrabass und lieferten sich bei »Der Sommerwind« ein erquickliches Zusammenspiel mit den Bongos und Congas von Markus Paßlick.
Ein Könner auch am Mischpult
Auch Dominik Hahn am Schlagzeug, der Youngster der Band im Anzug und mit rot-weiß-gestreiften Krawatten, leistete Großartiges, streichelte die Becken, kitzelte die Trommel mit swingendem Feingefühl und erwies sich bei »Unter den tausend Laternen« als Könner an den perfekt getakteten Rumbarasseln. Alles wurde akustisch angenehmst serviert dank Grammy-Gewinner Philipp Nedel am Tonpult.
Und der Meister selbst? Götz Alsmann kostete seine »L.I.E.B.E.« für den swingenden Jazz-Schlager voll aus. Gewohnt wortgewandt plauderte er vom kleinen Götz, der schon als Vierjähriger das Klavier für sich entdeckt hatte. Ließ das Publikum an seinem kindlichen Staunen über Pianisten wie Paul Kuhn im ARD-Fernsehprogramm teilhaben und huldigte genialen Interpreten wie Udo Jürgens und Textern wie Joachim »Blacky« Fuchsberger mit deren Ballade »Was ich dir sagen will« ausnahmsweise mal nicht am großen Flügel, sondern erst nur mit Gesang, dann am klimpernden Kinderklavier.
Dass Alsmann sich in der Pause in der eher nüchtern anmutenden Sammelumkleide der Kongresshalle aufhalten musste, statt in einer der von ihm so bewunderten Künstlergarderoben aus alten Schwarz-Weiß-Filmen, in denen mit Blumen bestückte Ming-Vasen, bereits entkorkte Champagnerflaschen und eine schmucke Ottomane das Künstlerherz erfreuten - fast konnte man Mitleid mit ihm bekommen. Und als er dann noch von einem Spaziergang durch die von Nebelschwaden durchzogene Stadt und einem von Taubenkot besudelten Metallschild plauderte, da hielt das Publikum erkennbar den Atem an. »Hoffentlich ist er nicht am Elefantenklo gelandet!«, ging es wohl so manchem im Saal durch den Kopf. Doch es könnte der Alte Friedhof gewesen sein, auf dem Alsmann eine Inschrift entzifferte, die für sein Leben wegweisend ist. Darauf stand: »Bossa Nova geht immer«.
Nach »Die kleine Stadt will schlafen gehn« als sanftem Rausschmeißer inklusive Glockenschlägen gab es dann noch kleine, aber feine Zugaben mit der Ukulele und einen gut gemeinten musikalischen Ratschlag der Band an alle, die im durch die Musik geweckten Liebestaumel ihre Gunst allzu bereitwillig streuen wollen. Gitte Haennings »Liebe ist doch kein Ringelreih’n« aus den Sechzigerjahren war ein gelungener Abschluss für einen grandiosen Abend.