Nächste Weichen für Windpark an A5 gestellt, aber: Bläst genug Wind am Fernewald?

Die Stadt Gießen will gemeinsam mit zwei Gemeinden die Errichtung eines Windparks im Fernewald an der A5 vorantreiben. Zweifel am Ertrag beantwortet die Stadtkoalition ungewöhnlich.
Wer viel Fahrrad fährt, hat ihn in den letzten Wochen mal angenehm von hinten und mal unangenehm von vorne zu spüren bekommen: So viel Starkwind erlebt man in dieser Jahreszeit und weitab von der See selten. Da dürften auch Betreiber von Windrädern an weniger »höffigen« Onshore-Standorten eine satte Ernte eingefahren haben.
Die Eignung des an der A5 zwischen Annerod, Steinbach und Oppenrod gelegenen Fernewalds für die Windkraftnutzung war am Donnerstagabend Thema im Stadtparlament. Letztlich mit großer Mehrheit von Grünen, CDU, SPD, Gigg/Volt, Gießener Linke und der PARTEI wurde ein Grundsatzbeschluss gefasst zur Entwicklung eines Windparks in dem weitläufigen Forst, in dem die Stadt Gießen über einen größeren Waldbesitz verfügt. Gegen die Nutzung dieser im Teilregionalplan Energie Mittelhessen schon länger als Windvorrangfläche ausgewiesenen gut 150 Hektar sprach sich nur die AfD aus, Enthaltungen kamen von der FDP und Freien Wählern.
Windpark an A5: Im Windschatten des Schiffenbergs
Wie im Stadtentwicklungsausschuss stellte der AfD-Stadtverordnete Thomas Biemer angesichts einer »Höffigkeit« von unter sechs Metern pro Sekunde die Eignung des Gebiets für eine Windkraftnutzung, die einen anständigen Ertrag verspricht, infrage. Ähnlich äußerte sich Klaus Dieter Greilich (FDP). Im »Windschatten des Schiffenbergs« gelegen, komme im Fernewald womöglich zu wenig des kräftigen Nordwestwinds an, argumentierte Greilich. Grundsätzlich sei die FDP für die Windkraftnutzung, aber an diesem Standort stelle sich die Frage, ob sich die Anlagen angesichts des Verlusts an Stadtwald vertretbar seien.
Vertreter der Koalition verwiesen einerseits darauf, dass die Ausweisung als Vorranggebiet mit einer »Höffigkeit« von 5,75 Meter pro Sekunde die Eignung bestätige. Andererseits verwies Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) auf das rege Interesse von Windkraftunternehmen an dem Gebiet. »Wir haben gerade heute wieder ein Angebot bekommen«, sagte Wright. Die Projektierer würden sich kaum für eine Lage interessieren, die keinen Ertrag verspreche. SPD-Fraktionschef Christopher Nübel sagte süffisant an die Adresse der Freidemokraten: »Das sollten wir dem Markt überlassen.«
Einstimmig beschlossen wurde zudem eine Ergänzung der CDU, wonach der Magistrat das Stadtparlament regelmäßig über den Fortgang des Projekts, das noch ganz am Anfang steht und dessen Realisierung erst noch geprüft werden muss, regelmäßig informiert. Weitergehende Forderungen wie die Vorlage von Wirtschaftlichkeitsberechnungen und einem »Projektbeschluss« durchs Stadtparlament, die die Fraktion Gigg/Volt forderte, wurden mit Hinweis auf das gemeinsame Vorgehen mit Buseck und Fernwald abgelehnt. Es werde keine Gießener Alleingänge geben, betonten Wright und Nübel. Vielmehr sollten die Bürger von Fernwald und Buseck mehr von dem Projekt partizipieren können als Gießen. »Die haben es vor ihrer Haustür und sollen damit am besten leben können«, sagte Wright.
Windpark im Fernewald an der A5: Pacht, aber keine Gewerbesteuer
Die Stadt Gießen wird im Falle einer Realisierung des Windparks wohl Pachteinnahmen erzielen, Gewerbesteuer fällt laut Wright nicht ab, da sich der Fernewald nicht in die Gießener Gemarkung erstreckt. Um möglichst waldschonend vorzugehen, sollte das bestehende Wegenetz für die Erschließung der Windräder-Standorte genutzt werden, auch wenn dadurch vielleicht die ein oder andere windstärkere Lage nicht genutzt werden könne.
Johannes Rippl (Gigg/Volt) hatte sich zuvor für eine »maximale Wertschöpfung« durch den Windpark ausgesprochen: »Wenn man schon Wald opfert, muss viel Geld in der Region bleiben.« Das soll mit einem - in diesem frühen Projektstadium - noch nicht ausgestalteten Bürgerbeteiligungsmodell sichergestellt werden. Für die CDU erklärte der neue Parteivorsitzende Frederik Bouffier, dass die Union das Vorhaben auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichst unabhängigen Energieversorgung Deutschlands unterstütze. Auch in dieser Hinsicht erlebe man seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine eine »Zeitenwende«, sagte Bouffier. (Burkhard Möller)