Bestatter Patric Stromberg erfüllt letzte Wünsche

Bei Patric Stromberg dreht sich alles um den Abschied. Als Bestatter ist der Tod sein Geschäft. Er ermöglicht auch ungewöhnliche Bestattungen. Etwa mit Motorrad und Rockmusik.
Der Leichenwagen mit dem Sarg des Opas fuhr vom Krankenhaus durch den kleinen Ort in Richtung Friedhof. Patric Stromberg saß neben der Bestatterin, es folgten Autos mit der Großmutter, der Mutter, der Tante. »Stoppen Sie doch mal«, sagte er, als sie am Wohnhaus des Großvaters vorbei kamen. Sie hielten kurz inne. Das taten sie noch einmal an einem Acker. Es war ein Feld, das der Opa oft bestellt hatte. Weiter ging es zu seinem Geburtshaus. Es waren einige Lebensstationen des alten Mannes, die Frauen in den folgenden Autos haben das sofort verstanden. »Ich wollte, dass er da noch mal hinkommt vor der Beerdigung. Das war tröstlich«. Stromberg hatte diese kleine Prozession nicht geplant, es war eine spontane Idee. Und diese Idee setzte sich in seinem Kopf fest. Bestattungen, so die Überlegung, könnten viel individueller sein - so unterschiedlich wie das Leben der Verstorbenen.
Stromberg stammt aus Neustadt bei Marburg, nach der Schule hat er zunächst eine Ausbildung als landwirtschaftlich-technischer Assistent gemacht und verpflichtete sich dann bei der Bundeswehr. Er war Offizier, er mochte das Leben als Soldat, Ende der 90er Jahre machte er im zerstörten Bosnien Erfahrungen, die sein ganzes Leben prägten. »Man sieht, worauf es wirklich ankommt im Leben«.
Als sein Großvater starb, dachte er gerade über einen Berufswechsel nach. Er sattelte um und wurde Bestatter. Heute ist er Inhaber des »Trauerzentrums Mittelhessen«, er hat Standorte in Neustadt, Gießen, Hüttenberg, Pohlheim und Lich, aber auch in Bonn und Berlin. Es gibt katholische, evangelische oder weltliche Beisetzungen, muslimische oder jüdische Trauerfeiern oder hinduistische Trauerfeste. 2011 bekam er den Hessischen Gründerpreis für Geschäftsgründungen in einem schwierigen Marktumfeld. Vor drei Jahren hat er die Immobilie der insolventen Firma Carl Huhn übernommen, die Bestatterin Irmgard Bodelle hat ihm altersbedingt ihr Unternehmen verkauft.
Branche im Umbruch
Die Branche befindet sich im Umbruch, schildert Stromberg. In vielen Unternehmen stehen Generationswechsel an und es fehlen die Nachfolger. Einige haben es während der »fetten Jahre« versäumt, sich dem Wandel in der Abschieds- und Trauerkultur zu stellen. Diese Entwicklung macht der 41-Jährige sich zu nutze. Die ehemaligen Räume der Firma Huhn in der Robert-Bosch-Straße hat er komplett umgestaltet, hier gibt es nun neben Büros und der Sargausstellung einen Abschiedsraum, eine Trauerhalle und einen Kaffeeraum für kleine und große Gesellschaften. »Wir können hier fast alle Wünsche erfüllen«, sagt Stromberg.
Er ist Geschäftsmann und rechnet mit spitzem Bleistift. »Natürlich müssen wir Geld verdienen«, sagt er. »Es ist doch verlogen zu behaupten, dass man Leistungen aus Nächstenliebe erbringt.« Das bedeutet aber noch lange nicht, dass er seinen Kunden etwas aufschwatzt, teurere Särge oder Urnen zum Beispiel. Heuchelei kann er nicht ausstehen. »Ich bin für einen offenen, ehrlichen Umgang miteinander.« Stromberg will sich weder verbiegen noch verstellen. Der 41-Jährige trägt gerne Jeans und Sweatshirt statt dunklem Anzug. »Ich weiß, dass es Kunden gibt, für die das nicht geht. Wir passen dann eben nicht zusammen«.
Mit Konventionen kann er ohnehin nichts anfangen. »Nur weil man etwas schon immer so gemacht hat, muss es nicht für jeden gut und richtig sein«, sagt er. Auf der anderen Seite akzeptiert er es, wenn Kunden sich an Traditionen halten möchten. Gerade auf dem Land sei es den Menschen wichtig, dass alles an der Beerdigung teuer und hochwertig sei. Wer sich dort nicht für einen dunklen Eichensarg und kostspieligen Grabschmuck entscheide, werde von den Nachbarn schief angesehen, nennt er ein Beispiel. »Dort will niemand aus der Reihe tanzen«, weiß Stromberg, der selbst »auf dem Dorf« groß geworden ist. Je städtischer und weltoffener die Menschen seien, desto eher verspürten sie den Wunsch nach individuellen Trauerfeiern.
Irmgard Bodelle war in Gießen Vorreiterin auf diesem Gebiet. Wenn eine Familie den Sarg des Vaters mit Fingerfarben bemalen wollte, so machte sie das möglich, wenn bei der Trauerfeier eine Rockband spielen sollte, so sorgte sie dafür. Sie war auch eine der ersten, die Waldbestattungen begleitete. Bodelle freut sich darüber, dass ihr Geschäft in ihrem Sinne weitergeführt wird. »Wir haben auch schon ein Motorrad in die Trauerhalle bugsiert«, sagt er.
Die Konkurrenz steht diesen neuen Wegen oft ablehnend gegenüber, Stromberg ist bei seinen Mitbewerbern alles andere als beliebt. »Mir blies nicht nur der Wind ins Gesicht, es waren echte Stürme, denen ich standhalten musste«. Nachdem er das Gebäude der Firma Huhn übernommen hatte, wurde die Telefonanlage gehackt, Stromberg schaltete Polizei und Staatsanwaltschaft ein. Auch persönliche Diffamierungen musste er einstecken. Pfarrer in einer Landgemeinde rieten ihren Schäfchen davon ab, zu »den Schwulen« zu gehen. Sein Lebensgefährte Manuel Jahn ist in der Firma für die Buchhaltung zuständig. Die beiden Männer sind privat und beruflich ein gutes Team, sie können sich aufeinander verlassen. Doch diese Querschläge waren hart. »Es gab Zeiten, da war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen«, sagt Stromberg.
Doch das hat er nicht getan. Weil er seine Arbeit liebt und den Umgang mit Menschen mag. Weil er stolz ist auf seine 23 Mitarbeiter. »Die machen einen tollen Job.« Weil er sieht, dass es den Menschen hilft, wenn sie in einer schlimmen Zeit eine faire Begleitung bekommen. Und weil er selbst etwas lernt von seinen Kunden. Von den Kindern beispielsweise. »Sie zeigen uns in ihrer Unbefangenheit, wie Trauer geht. Sie sind traurig, aber nicht untröstlich. Sie führen uns vor, dass das Leben weitergeht.«
Jenseits der heimischen Konkurrenz hat Stromberg sich in den vergangenen elf Jahren in der Branche einen guten Ruf erarbeitet: Er hat die Beerdigung einiger Prominenter organisiert. »Ich bin gut vernetzt, aber ich habe auch ein dichtes Hilfenetz, das mich trägt, wenn es schwierig wird«, erklärt er. Seinen Partner, die Familie, Freunde und Geschäftspartner.
Ist es nicht deprimierend, rund um die Uhr mit Tod und Trauer zu tun zu haben? Auf die klassische Frage an den Bestatter gibt es mehrere Antworten. Einerseits nein. Denn Stromberg hat einen professionellen Abstand. Den zu halten kann und muss man lernen in seinem Job. Und andererseits ja. Denn natürlich gibt es Begegnungen, die extrem unter die Haut gehen. Nie wird Stromberg den Zusammenbruch einer Mutter vergessen, deren schwangere Tochter ermordet worden war. Und nie die Gleichgültigkeit einer Frau, als sie ihr Kleinkind beerdigen musste. »Das holt einen immer wieder ein.«
Wenn ihm etwas mal nahe geht, denkt er an den Opa und seine Lebensweisheiten. »Auf der anderen Seite muss es so schön sein, denn es ist noch nie einer zurück gekommen.«