Begegnen bei Sabich und Rugelach

Für Begegnungen braucht es keinen offiziellen Anlass mit Reden oder Vorträgen. Oft reicht ein Essen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Die jüdische Gemeinde und die junge Kirche Gießen wollen im »Iss was« einen solchen ungezwungenen Raum bieten: mit der Veranstaltung »Sababa & Hummus«.
Wer in einem anderen Land mehr über das Leben vor Ort, die Menschen und ihr Essen erfahren will, der geht nicht in eines der typischen Touristenrestaurants, die für alle alles haben: Pizza und Pasta, Schnitzel und Chinesisch. Der geht am besten auf einen kleinen Markt mit Streetfood. Dort sitzt man ungezwungen herum, kann viel beobachten, etwas essen und - wenn man will - mit anderen Menschen über die Tische hinweg ins Gespräch kommen. Eine solche Atmosphäre erhoffen sich Mitglieder der jüdischen Gemeinde und der Jungen Kirche in Gießen bei ihrer ersten gemeinsamen Veranstaltung. Im Restaurant »Iss was« an der Ecke Roonstraße/Grünberger Straße sollen sich am 25. Mai bei Streetfood-Atmosphäre ab 20 Uhr Menschen begegnen und ins Gespräch kommen - ungezwungen und unabhängig von ihrem politischen, kulturellen oder religiösen Hintergrund.
Essen als etwas Verbindendes
Die Veranstaltung steht unter dem Motto »Sababa & Hummus«. Vor allem das Wort Sababa spiegelt den Grundgedanken hinter dem Event ziemlich treffend wider. Es ist hebräisch und heißt soviel wie »Keine Sorge« und »Es ist alles gut«. Simon Beckmann, Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde, sagt: »Es ist mehr als nur ein Wort, es ist eine Lebensweise.«
Es ist die alte Frage, wie man Begegnungen zwischen Menschen ermöglichen kann - und wie sich Institutionen wie Glaubensgemeinschaften öffnen. Da gibt’s die Möglichkeit von Vorträgen und Führungen - aber damit erreicht man eben nur eine bestimmte, in der Regel immer gleiche Gruppe von Menschen. »Aber essen verbindet viel mehr«, sagt Beckmann, der die Grundidee zusammen mit dem Pfarrer der Wicherngemeinde, Johannes Lohscheidt, bereits vor einigen Jahren hatte. »Wir wollten weg von den Vorträgen und Besichtigungen«, sagt Beckmann, »und hin zu etwas Lebendigem.« Nur: Dann kam die Pandemie - und das Projekt lag erstmal auf Eis.
Doch jetzt, wo das ganze Land nach Jahren der Zurückhaltung und der Distanz diverse Lockerungsübungen vollführt und wieder anfängt, die Begrüßungsfaust gegen den Handschlag einzutauschen, haben Beckmann für die jüdische Gemeinde sowie Pfarrer Alexander Klein und Jugenddekanatsreferentin Laura Schäfer von der Jungen Kirche das Projekt wieder reaktiviert.
Schnell sei man sich einig gewesen, dass das »Iss was« der ideale Ort für eine solche Veranstaltung sei: Die Betreiber David Aydin, Daniel Nyrkow und der Koch Nikita Leschenco haben aramäische, israelische und kaukasische Wurzeln. Diese Einflüsse finden sich auch in ihrer Fusionsküche, wie sie ihr gastronomisches Konzept nennen. Aydin sagt: »Uns selbst Grenzen zu setzen, hindert uns daran, einander zu begegnen.« In das Gotteshaus einer anderen Glaubensgemeinschaft beispielsweise gehe man nicht so einfach hin. »Alle Menschen haben Hemmnisse, etwas für sie Ungewohntes oder Unbekanntes zu machen.« Ins Restaurant jedoch gingen alle - ganz ohne Berührungsängste.
Niedrigschwelliges Angebot
Dies bestätigen auch Klein und Schäfer: Natürlich stünden für Veranstaltungen der Jungen Kirche Räume zu Verfügung. »Aber kulturelle Begegnungen lassen sich nicht während eines Workshops erzwingen«, betont Schäfer. Klaus F. Plötz, Vorsitzender des Freundeskreises der Jüdischen Gemeinde, fasst es mit den Worten zusammen: »Das Angebot ist niedrigschwellig für alle. Jeder kann hier hinkommen.« Beckmann fügt hinzu: »Und wer nur essen und nicht reden will, der kann auch das tun.«
Für einen besonderen Abend, sagt Luschenco, soll es auch ein besonderes Essen geben - und zwar einen der Streetfood-Klassiker aus Israel: Sabich. Dabei handelt es sich um ein Pitabrot mit Auberginen und Ei. Aufgetischt wird außerdem die bekannte Süßspeise Rugelach; dabei handelt es sich um kleine, süße Croissants. Ausgeschenkt wird Bier und Limo aus Israel und ein DJ aus Frankfurt sorgt für die musikalische Untermalung. Platz gibt es für 100 Menschen; bei Bedarf können weitere Plätze im benachbarten Hof geschaffen werden. Der reguläre Restaurantbetrieb soll parallel weitergehen.
Nyrkow betont, dass es bei der Veranstaltung im »Iss was« nicht darum gehe, Gewinn zu erwirtschaften. Auch Klein von der Jungen Kirche sagt: »Wir machen vielmehr Werbung für Begegnungen.« Und Aydin fügt hinzu: »Und dabei gehen Ängste verloren.«