1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

Bakterien als Kumpel

Erstellt:

Kommentare

oli_microkumpel_131222_4c
Autor Kai Thormann und der »Mikrokumpel« vor einer Leinwand der Illustratorin Liliya Chernova. © Oliver Schepp

Bakterien genießen gemeinhin einen eher schlechten Ruf. Häufig werden sie »eklig« oder »Krankmacher« genannt. Zu Unrecht! Kai Thormann, Professor für Mikrobiologie an der JLU, und Liliya Chernova erklären im Kinderbuch »Mikrokumpel«, warum Bakterien durchaus cool sind.

Sie lugen zwischen Reagenzgläsern hervor, schmücken eine großformatige Leinwand und fahren Einrad über das Whiteboard: In den Räumen der Arbeitsgruppe Thormann am Institut für Mikro- und Molekularbiologie sind Bakterien als farbenfrohe Cartoon-Wesen allgegenwärtig. »Lily hat einfach überall ihre Spuren hinterlassen«, sagt Kai Thormann, Professor für Mikrobiologie an der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen. Er lacht. Er meint damit Liliya Chernova, die gerade in Kazan ihre Doktorarbeit verteidigt hat. Sie war 2021 für einen zwölfmonatigen Forschungsaufenthalt an der JLU. In dieser Zeit hat sie die Cartoons gezeichnet, die nun ihren Weg in ein einzigartiges Kinderbuch gefunden haben. Es trägt den Titel »Mikrokumpel«.

Die Zeichenkünste Chernovas sind am Institut schnell aufgefallen. »Ich habe sie gefragt, ob sie daraus etwas machen möchte«, berichtet Thormann. Aus dem Stil der Zeichnungen heraus und wegen einer »Marktlücke« sei die Idee entstanden, ein Kinderbuch daraus zu machen. »Mir fällt kein Buch ein, in dem kindgerecht dargestellt wird, was Bakterien denn eigentlich sind«, führt Thormann aus. Kinder würden sie ja vor allem als ein »krankmachendes Viech« kennen. »Als Mikrobiologe kann man das natürlich nicht so stehen lassen«, betont Thormann.

Bildungsauftrag der Wissenschaft

»Mikrokumpel« weckt bei manchem Leser vielleicht Erinnerungen an Karius und Baktus. Doch mit den beiden Zahntrollen haben die kunterbunten Bakterien aus dem Buch wenig gemein. Ihre Körper sind oft ellipsenförmig und haben Arme und Beine, außerdem sind sie mit Kulleraugen, einem Mund und einem einzelnen Haar ausgestattet. Sie verhalten sich freundlicher und sie erzählen erst einmal etwas über sich: Auf einer Seite kuscheln sie mit Dinosauriern (Bakterien leben schon mehrere Milliarden Jahre auf der Erde), auf einer anderen bauen sie Sandburgen (es gibt mehr Bakterien als Sandkörner auf der Welt). Und schließlich taucht das Bakterium im Superheldengewand auf: der Mikrokumpel, der Krankheitserreger abwehrt.

Ihre ersten Bakterien-Cartoons zeichnete Chernova während ihres Bachelorstudiums. »Sie halfen mir sehr dabei, neuen Stoff zu verstehen und zu verinnerlichen«, erklärt sie. Später betreute sie andere Studierende: »Ich wollte komplexe biologische Prozesse durch Illustrationen darstellen, die nicht wie langweilige Schulbuchdiagramme aussehen«, sagt Chernova.

Thormann sieht einen großen Bedarf, »als Wissenschaftler zu erklären, was wir machen und warum das wichtig ist«. So sollen ab nächstem Jahr Kurse für die Oberstufe am Institut realisiert werden. Im Buch aber habe man ganz »unten« angefangen. »Die ersten Ideen waren schnell da«, sagt der Mikrobiologe. In der Arbeitsgruppe habe man überlegt, was im Buch vorkommen solle. »Lily hat Konzeptzeichnungen gemacht und ich habe die Texte dazu geschrieben.« Das Buch sei über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr entstanden und zuerst nur für Freunde und Kollegen gedacht gewesen. Es sei aber so gut angekommen, dass man es über Books on Demand veröffentlichte. Die Einkünfte würden der Stiftung »Haus der kleinen Forscher« gespendet, die frühe Bildung der Kinder im Bereich der Naturwissenschaften fördert.

Zielgruppe seien Kinder im älteren Kindergarten- und jungen Grundschulalter. »Es ist als Vorlesebuch gedacht und es soll erst einmal um die schönen Bilder gehen«, erklärt Thormann. Carla jedenfalls, fünfeinhalb Jahre alt, gefällt das Buch: »Es ist gut, weil man total viel über Bakterien lernt«, sagt sie. Außer den »schönen Bildern« gibt es im hinteren Teil weitere Informationen. »Für Fortgeschrittene und die Eltern«, erklärt Thormann. Letztere könnten ihren Kindern etwas erklären oder selbst etwas lernen.

»Wenn Künstler Mikroben zeichnen, hat das mit der Wirklichkeit wenig zu tun«, erklärt Thormann. Anders bei den Zeichnungen Chernovas: »Da sieht man als Mikrobiologe, dass das jemand gezeichnet hat, der sich auskennt.« Ein Beispiel dafür sei Thormanns Lieblingszeichnung: Ein blaues Bakterium, Fieberthermometer im Mundwinkel, Fußbad, Schal und wärmende Decke. Es ist krank. Ein lilafarbener Virus bringt ihm eine Tasse Tee. So sieht es der Laie, doch in der Zeichnung versteckt sich ein Detail: Die häufigsten Viren sind sogenannte T-Phagen. Und deren Name wird durch den Tee angedeutet. »Mikrokumpel ist nicht nur ein Kinderbuch mit niedlichen Zeichnungen«, führt Chernova dazu aus. Ein Kind könne dadurch die Welt der Bakterien von einer neuen Seite kennenlernen, ein Erwachsener etwas Neues entdecken. »Und ein Biologe kann in den Farben, Formen und Interaktionen der Charaktere sehr viel tiefere Bedeutungen entdecken.«

Auch interessant

Kommentare