Ausstellung und Lesung zum Thema Namibia

Gießen (uhg). Mit zwei Veranstaltungen im Rathaus widmet sich die Stadt Gießen dem afrikanischen Land Namibia: Zum einen zeigt die Ausstellung »Independent« den Unabhängigkeitskampf des Landes, zum anderen las Bernd Heyl am Mittwoch aus seinem Buch »Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte«.
Die Ausstellung »Independent« zeigt 22 Poster, gestaltet in einem Frauenkunstprojekt in Windhoek. 15 Frauen aus Namibia haben die Rolle der Frau im Unabhängigkeitskampf gegen Südafrika seit den 1960er Jahren reflektiert. Die Motive sind ein Appell, nicht nur an die Frauen, mehr Unabhängigkeit und Freiheit zu wagen. Erstellt wurden die Motive in verschiedensten Techniken, zum Beispiel als Linoldruck oder Collage; als Lithographie oder Handzeichnung.
Die Ausstellung wird zur Verfügung gestellt durch die Deutsch-Namibische Gesellschaft und war zuvor in Windhoek und in Berlin zu sehen. Die Arbeiten sind im Foyer des Rathauses noch bis zum 31. März zu besichtigen
Bis 31. März zu sehen
Über Namibia in Deutschland zu sprechen heiße auch, sich mit einem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte auseinander zu setzen, betonte Stadträtin Astrid Eibelshäuser in ihrer Ansprache. Welche Perspektiven gebe es auf Fragen von Entschädigung nach dem Völkermord an den Herero und anderen Volksstämmen? Und wie sehe eine Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe aus? Eibelshäuser nannte eine Reihe von Begegnungen mit Namibia, unter anderem einen Online-Jugendaustausch mit Schülerinnen und Schülern aus Windhoek.
Die Unabhängigkeitserklärung Namibias, die 1990 mit der Deklaration der Verfassung offiziell wurde, sprach Klaus Hess, Präsident der Deutsch-Namibischen Gesellschaft an. Auch während der Zeit der südafrikanischen Herrschaft, so Hess, habe Namibia einen besonderen Stellenwert in der deutschen Öffentlichkeit gehabt, es gebe verschiedenste Kontakte zwischen den Menschen auf beiden Kontinent: »Uns allen geht es um die Zukunft Namibias, um ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und um eine positive Entwicklung des Landes«; umschrieb Hess die Aufgaben seiner Organisation.
Der Pädagoge Bernd Heyl, der auch persönlich kolonialismuskritische Studienreisen nach Namibia organisiert, stellte in einer Lesung in der Stadtbibliothek des Rathauses sein neuestes Buch vor. Der Titel: Namibische Gedenk- und Erinnerungsorte. Postkolonialer Reisebegleiter in die deutsche Kolonialgeschichte.
Kritischer Umgang mit Vergangenheit
Die Gedenk- und Erinnerungsorte aus der Zeit kolonialer Entwicklung würden von den meisten Tourismusunternehmen als positiv besetzte Standortfaktoren ausgegeben. Mit den Denkmälern und Bauwerken werde vor allem um Reisende aus Deutschland geworben. Heyl hingegen beschreibt, anders als die meisten anderen Reiseführer, diese Gedenk- und Erinnerungsorte im Kontext deutscher Gewaltherrschaft und afrikanischen Widerstands. Sein Reisebegleiter führt zu 20 Orten in Namibia und bietet erstmals eine kritische Beschreibung deutscher Erinnerungsstätten.
Heyl präsentierte den Inhalt seines Buches anschaulich anhand von Fotos und Schautafeln vor. Erster Eindruck gleich beim Cover: Eine namibische Frau - sie heißt Uakondjisa Kakuekuee Mbari - läuft aufrecht in traditioneller Kleidung zwischen den Gleisen des Bahnhofs von Swakopmund. Ihr Kleid ist ein leuchtend roter Farbtupfer im tristen Grau des Bahnhofgeländes. Die Gleise sind von den Vorfahren der indigenen Völker Namibias, den Herero und Nama, auf Befehl der deutschen Kolonialherren unter menschenunwürdigen Bedingungen vor mehr als 120 Jahren verlegt worden.
Ein Buch, so war es den Zuhörern am Ende klar, das als Reisebegleiter nahezu unentbehrlich ist, und das auch für die Lektüre zu Hause viel Informatives bietet. Welche Auffassungen in früheren Jahrzehnten zu Namibia beziehungsweise »Deutsch Südwest« galten, war an einem Büchertisch zu erkennen, auf dem Literatur aus mehreren Jahrzehnten gezeigt wurde.