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Ausstellung als Forschungsort

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Von: Dagmar Klein

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Das Metallrelief »Hahn« an der Feuerwache in der Nordanlage ist auch von Kröll. © Dagmar Klein

Es ist sicher nicht das letzte Mal, dass in dieser Zeitung über den Gießener Maler und Grafiker Walter Kröll (1911-1976) berichtet wird. Dies verdankt sich aktuellen Diskussionen und seiner regen Tätigkeit für Kunst am Bau in der Nachkriegszeit. Wie soll mit der Kunst umgegangen werden, welchen Einfluss hat sein Leben in den Jahren des Nationalsozialismus bei der heutigen Entscheidung?

Bereits vor vier Wochen wurde mit dem Hängen der Kabinettausstellung im Oberhessischen Museum im Alten Schloss begonnen. Am Mittwochabend fand die gut besuchte Eröffnung im Netanya-Saal statt.

Was Bund und Länder ab Mitte der 1950er Jahre per Gesetz an den von ihnen finanzierten öffentlichen Bauten in Auftrag gaben, die Kunst am Bau nämlich, das taten auch Städte und Kreise für ihre Kindergärten, Schulen und Verwaltungsgebäude. Nach der Zerstörung deutscher Städte Ende des Zweiten Weltkriegs sollte der öffentliche Raum wieder schön und lebenswert werden. Doch längst sind viele dieser Gebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt worden. Damit verschwindet die Kunst dieser Jahrzehnte zunehmend. In den seltensten Fällen hat bereits Denkmalschutz gegolten. Es gibt immer wieder Diskussionen darum.

Nicht alle Fragen beantwortet

Manchmal werden die Arbeiten zumindest gesichert und eingelagert, wie zuletzt bei einem Wandmosaik in der Ludwig-Uhland-Schule, das zuvor schon Kröll zugeordnet werden könnte. Auch zwei wandfüllende, abstrakte Metallreliefs der Alice-Schule konnten Kröll zugeordnet werden. Dass sie in einem Lagerraum aufgehoben wurden, war eines der überraschenden Ergebnisse der studentischen Recherche des Projektseminars am JLU-Institut für Kunstgeschichte unter Leitung von Prof. Sigrid Ruby und Mitarbeiterin Annabel Ruckdeschel. Ebenfalls entdeckten sie das Metallrelief mit dem Hahn an der Feuerwache als Werk von Kröll.

Anstoß für das Seminar war die Diskussion um das Metallrelief (1965) von Kröll an der Limesschule in Pohlheim. Da die Schule neu gebaut wird, tauchte die Frage auf, was mit dem Werk geschehen solle, und es kam der Hinweis, dass der Künstler Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste war. Im Laufe des Sommersemesters nahmen die Beteiligten Einsicht in den umfangreichen künstlerischen Nachlass im Oberhessischen Museum und in die Unterlagen im Universitätsarchiv, denn Kröll war nicht nur ein exzellenter Zeichner und versiert in verschiedenen Maltechniken, er verdiente sein Geld auch als Zeichenlehrer der Universität (ab 1951). Dazu kam die Entnazifizierungsakte. Kröll war Mitglied in der NS-Reichskammer der Künste, was Voraussetzung war, wenn man öffentliche Aufträge haben wollte. Ebenso war er Gründungsmitglied des Oberhessischen Künstlerbunds 1943 und bei der Abspaltung »Gruppe 9« im Jahr 1969.

Längst nicht alle Unterlagen konnten gründlich gesichtet, aufkommende Fragen nur teilweise beantwortet werden, daher beschränkte sich die Ausstellungsgruppe auf die Werke im Museumsbestand und die Kunst am Bau. Außen vor blieb das grafische, das einen großen Teil seines künstlerischen Werks beansprucht. Um ein Werkverzeichnis zu erstellen, braucht es also noch viel Zeit und Arbeit, auch die Mithilfe von Menschen, die ihn kannten und/oder seine Kunst erworben haben. Prof. Ruby sammelt weiter und bittet um Informationen.

In ihrer Begrüßungsrede freute sich die Museumsdirektorin Dr. Katharina Weick-Joch über die Kooperation, durch die das Museum auch als Forschungsort sichtbar werde. Ruckdeschel betonte in ihrer Rede, wie dankbar alle Seminarbeteiligten für die offene Unterstützung seitens des Oberhessischen Museums seien. Unterstützt wurden sie auch von Einzelpersonen, vom Universitätsarchiv und vom städtischen Denkmalschutz, dessen Gutachten ausliegt, in dem die Möglichkeit der Abnahme des Wandmosaiks an der Uhland-Schule untersucht wurde.

Spannende Foto-Installation

Neben Gemälden und Vorzeichnungen sind erklärende Texte präsentiert. Im Zentr um der Schau steht ein Fotobildschirm, auf dem in stetem Wechsel Vorzeichnungen historische und aktuelle Fotos von Krölls Kunst-am-Bau-Werken anzuschauen sind. Sehr spannend. In einer Vitrine sind Zeitungsartikel und kleine Arbeiten ausgelegt. Eine Broschüre enthält die Ergebnisberichte der Studierenden.

Neuigkeiten brachte der zuständige Kreisbeigeordnete Christopher Lipp mit. Die Diskussion um das Kröll’sche Metallrelief habe alle im Kreistag sensibilisiert und dazu geführt, dass nunmehr an sämtlichen Schulen und Verwaltungsgebäuden des Kreises nach der verbliebenen Kunst-am-Bau geschaut wird. Die Ergebnisse sollen dokumentiert und auf der Kreis-Homepage öffentlich zugänglich gemacht werden. Und es wurde beschlossen, ein Budget für Kunstmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, mit dem regionale Kunstschaffende künftig unterstützt werden sollen. Wo und wie das Wandrelief der alten Limesschule künftig präsentiert werden soll, dafür werden noch Vorschläge gesammelt. Dagmar Klein

Ausstellungsdauer: bis 29. Januar. Geöffnet: Di. bis So. von 10 bis 16 Uhr, Eintritt frei.

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