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Aufstand in Wieseck

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Von: Burkhard Möller

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Wollen eine BI gründen (v l.): Ortsvorsteher Michael Oswald, sein Amtsvorgänger Wolfgang Bellof und SPD-Chef Oliver Persch auf der Philosophenstraße. © Burkhard Moeller

Die Vereinbarung der neuen grün-rot-roten Koalition zur Philosophenstraße hat das Fass in der Wiesecker Ortspolitik zum Überlaufen gebracht. CDU und SPD werden eine Bürgerinitiative gründen, um die Interessen des Stadtteils gegenüber der Stadt besser zu vertreten. Zur Sicherung des Rad/Gehwegs entlang der Philosophenstraße wird es einen Bürgerantrag geben.

Derartige Lobeshymnen zwischen CDU und SPD in Gießen hat es schon länger nicht mehr gegeben. »Meine Hochachtung. Ihr habt Rückgrat gezeigt«, ruft Christdemokrat Michael Oswald den beiden Genossen Wolfgang Bellof und Oliver Persch zu, als er am Mittwochmorgen den Besprechungsraum über dem Saalbau Schepers in der Wisecker Philosophenstraße betritt. Der CDU-Ortsvorsteher kriegt sich vor Begeisterung über das Abstimungsverhalten der Wiesecker Delegierten beim Koalitionsparteitag der SPD am vergangenen Samstag gar nicht mehr ein.

Die Vertreter des SPD-Ortsvereins hatten geschlossen gegen die Koalitionsvereinbarung von Grünen, SPD und der Gießener Linken gestimmt, weil darin ein Verkehrsversuch mit einer Fahrradstraße auf der Philosophenstraße vereinbart wurde. Im Vertrag steht zwar auch, dass das Planfeststellungsverfahren für den straßenbegleitenden Rad/Fußweg »unverzüglich« weiterbetrieben werden soll, aber diesem Passus schenken die örtlichen Sozialdemokraten keinen Glauben. »Wenn der Verkehrsversuch erstmal läuft, wird es heißen, das geht auch so, und dann kommt der Radweg nicht mehr«, sagt Oswalds Amtsvorgänger Bellof. Die Grünen hätten in den Verhandlungen »beinhart« auf dem Verkehrsversuch bestanden, hat Persch aus den Gesprächen gehört. »Unsere Leute haben da auf Granit gebissen«, erzählt der SPD-Ortsvereinsvorsitzende.

Bellof und Oswald sind entsetzt, dass an der Stadtspitze mittlerweile offenbar eher auf Verkehrsaktivisten aus dem Umfeld der Saasener Projektwerkstatt gehört werde als auf den Ortsbeirat, der sich seit 16 Jahren für den Rad/Fußweg einsetze. »Da kommt ein Herr Bergstedt von Saasen nach Gießen, führt eine Demo für eine Fahrradstraße durch und alle zittern«, sagt Bellof. Ortsvorsteher Oswald fügt hinzu: »Das ist der absolute Hammer: Auf den Fantasten aus Saasen wird mehr gehört als auf uns vor Ort.« Der Ortsbeirat poche weiterhin auf den Weg, damit es künftig auch eine sichere Verbindung für Fußgänger zwischen Wieseck und dem Bereich Ursulum gebe. »Wir wollen die Gleichberechtigung von Auto-, Rad- und Fußgängerverkehr«, betont Oswald.

Zu Beginn des Jahres hatte das Stadtparlament grünes Licht für die Variante auf der Ostseite der Straße gegeben, aber der Beschluss steht unter dem Vorbehalt, dass die Naturschutzbehörden zustimmen. Bellof, selbst ehrenamtlicher Vogelschützer, winkt ab: »Es gibt bereits vier Umweltgutachten, die alle sagen, dass der Weg gebaut werden kann. Das Projekt liegt fix und fertig in der Schublade.«

Auch Brauhaus-Plan sorgt für Ärger

Der SPD-Mann holt weit aus, als er seine These erläutert, dass der Stadtteil Wieseck schon fast historisch von Gießen benachteiligt wird. Was die Gegenwart betrifft, machen das Bellof und Oswald unter anderem an der geänderten Planung für das Brauhaus-Areal, der zögerlichen Umsetzung von verkehrsberuhigten Maßnahmen, der neuen Stadtbuslinienführung oder eben am Umgang mit dem Projekt Radweg fest. Da sich der Magistrat, wie man am Beispiel Gewerbegebiet Lützellinden sehen könne, augenscheinlich von Bürgerdruck mehr beeindrucken lasse als von Ortsbeiratsbeschlüssen, wollen die CDU- und SPD-Ortspolitiker eine »Bürgerinitiative Wieseck« gründen. »Diese BI ist offen für alle, die sich für Wiesecker Interessen einsetzen wollen«, erläutert Oswald.

Erste Aktion der BI soll ein Bürgerantrag für den Rad/Fußweg und die Befahrbarkeit der Philosophenstraße für den Autoverkehr sein. Im Moment wird mit dem städtischen Büro Bürgerbeteiligung noch geklärt, ob es sich um ein Anliegen nur für Wieseck, oder für die ganze Stadt handelt. Davon hängt ab, wie viele Unterschriften gesammelt werden müssen. Betrifft ein Bürgerantrag ganz Gießen, müssen knapp 850 Stimmen gesammelt werden. Oswald: »Die bringe ich in drei Tagen«.

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