Archaisch-reine Gesänge zur inneren Einkehr

Nur mit Sondergenehmigung durfte das aus Odessa und Kiew stammende A-cappella-Trio für eine Tournee durch Westeuropa aus der Ukraine ausreisen. Das von Absolventen des Priesterseminars gebildete Trio besteht aus Mitgliedern des Rachmaninow-A-cappella-Ensembles, das die Aufführung von liturgischen Gesängen aus der orthodoxen Kirche Osteuropas pflegt.
Bei dem Konzert in der Thomas-Morus-Kirche stellte das Trio Liturgie von Johannes Chrysostomus in den Mittelpunkt. Von Beginn an begeisterte der in sich runde Gesamteindruck der markanten Stimmen von Andriy (Tenor), Dionisyus (Bass) und Grischa (Bariton). Voller Innigkeit trugen sie den ukrainischen Gesang »Der große Gott« vor. Durch Steigerungen in der Tonstärke öffnete sich das Klangbild immer mehr, bis die Musik in einen intensiven Höhepunkt mündete.
Teils waren die Texte auf Kirchenslawisch, teils auf Griechisch, zu Letzterem zählte die Litanei »Kyrie eleison«. Tenor Andriy sang hier die Phrasen über Liegetönen des Baritons und Bassisten. Die meisten Vertonungen stammten von anonymen Komponisten, so der Gesang »In Wahrheit ist es würdig, dich zu preisen«. Hier übernahm Bariton Grischa den Solopart. Im Ganzen entführten die Kompositionen durch den schlichten, aufs Äußerste reduzierten Stil in eine archaisch-reine Sphäre.
Ein inniger Wechselgesang zwischen Tenor und Bariton ergab sich beim »Lobpreis an Maria« bulgarischer Provenienz.
Mit ihren kontemplativen Zügen lud die Musik die Hörer ein, sich ins Gebet zu vertiefen. Dabei regten die Gesänge an, emotional den spirituellen Charakter zu erspüren. Je länger man den Künstlern lauschte, umso mehr faszinierte ihr perfekt aufeinander abgestimmter Gesang. Besonders bestach ihre Ader für intonatorische Details und nuancierte Dynamik.
Die A-cappella-Gesänge erinnerten an eine Zeitreise zu vergangenen Tagen, sie vergegenwärtigten ein musikalisches Erbe, das in der orthodoxen Kirche Osteuropas die Jahrhunderte überdauert hat. Ob beim »Vaterunser« oder beim »Bußgesang«: erstaunlich, wie klangvoll das Trio den großen Saal erfüllte. Der Hall unterstrich die Wirkung noch. Nahtlos ins Programm fügten sich zwei ukrainische Ostergesänge mit ihrem feierlichen Charakter. Das Publikum verabschiedete das ausgezeichnete Ensemble mit kräftigem Beifall. Sascha Jouini