An Pfeifenorgel und Hammond

Am Samstagabend war die Münchner Organistin Barbara Dennerlein wieder mal in Gießen zu Gast, diesmal in der Johanneskirche. Am Ende des Abends steht fest: Es war ein bereicherndes Konzerterlebnis.
Lang ist es her, seit Barbara Dennerlein zuletzt an einer Kirchenorgel in Gießen spielte. 2004, als sie in der Petruskirche gastierte, war die aktive Begeisterung der Münchener Hammondorganistin für die Pfeifenorgel noch jung und swingender Jazz auf dem schwerfälligen Kircheninstrument recht ungewohnt. Inzwischen hat sich Dennerlein viele Pfeifenorgeln rund um den Erdball erspielt. Am Samstagabend präsentierte sie in der Johanneskirche ihr beliebtes Doppelkonzert-Format an der Pfeifen- als auch an der Hammondorgel.
Kantor Christoph Koerber sagt eingangs, er habe schon lange davon geträumt, Dennerlein an die Förster & Nicolaus-Orgel der Johanneskirche einzuladen, war aber von der Eignung des Instruments nicht überzeugt. Die Künstlerin bescheinigt ihm, dass die Orgel »gar nicht so schlimm« sei, und beweist mit vier langen Stücken, dass die Königin der Instrumente durchaus zum Swingen gebracht werden kann. Nach »Whoopie Doo« merkt sie an, dass die Orgel recht schnell reagiere, aber nicht sehr viele Möglichkeiten biete, Registrierungen (Klangfarben) zu speichern. Aber um eine Anekdote oder Hintergrundgeschichte für die Umregistrierungspausen ist die Künstler nie verlegen, und durch die Videoübertragung vom Orgelprospekt ist auch für den direkten Draht zum Publikum gesorgt.
Es dauert ein wenig, bis man den Klangreichtum der Pfeifenorgel mit den swingenden Rhythmen zur Deckung bringen kann, aber spätestens bei Neal Heftis Ballade »Little Darling« wirkt die Bearbeitung eines Bigband-Arrangements völlig stimmig, und »Tin Tin Deo« begeistert vollends mit der schön herausgearbeiteten Melodie über einem prägnanten Bassmotiv.
Nach gut 35 Minuten wechselt die Künstlerin an ihr angestammtes Instrument, die mächtige B-3 mit ihrem elektromechanischen Innenleben, die Laurens Hammond 1934 patentieren ließ. Angeschlossen ist eine weitere Holzkiste mit rotierenden Lautsprecherhörnern. Dieser sogenannte Leslie ist für die flirrenden Vibrati verantwortlich, die den Sound der Orgel geradezu abheben lassen.
Eine Orgel
wie ein Bass
Dennerleins Glanzstück »Jimmy’s Walk« ist einem Pionier der Hammondorgel, Jimmy Smith, gewidmet, und die Organistin glänzt neben ihrer gewohnten Spielfreude vor allem mit ihrer Fußarbeit. »Ich wollte schon immer den Bassisten in einer Band ersetzen,« kommentiert sie ihr unglaublich swingendes und präzises Solo, das dank MIDI-Technik und gesampelten Bässen wie ein Kontrabass klingt. Ein weiterer Höhepunkt ist der gemütlich »Papis Boogie«, in dessen wohl zehnminütigem Verlauf Dennerlein eindrucksvoll beweist, wie viel Leben man mit nur einem Instrument dem guten alten 12-Takt-Blues einhauchen kann.
Dank der vielfältigen Klangfarben scheint es, als träten für jeden Chorus immer wieder neue Solisten ins Rampenlicht. »Das könnte ich ewig so dahinspielen«, fasst Dennerlein ihre ungebremste Lust an der Improvisation passend zusammen.
Mit dem flotten »That’s Me« und der funky Zugabe »Get It On« geht ein bereichernder Konzertabend zu Ende.