Alte Seiten, neuer Glanz

Gießen-Wieseck (lea). Rund 460 Jahre ist sie alt. Ihre erste Fassung entstand fünf Jahre, nachdem Luther seine 95 Thesen in Wittenberg angeschlagen hatte, im Jahr 1522. Nicht verwunderlich, dass sie auch ein Vorwort von Philipp Melanchthon enthält - er war neben Martin Luther der wichtigste kirchenpolitische Akteur und theologische Autor der Wittenberger Reformation.
Gut 44 Jahre später, 1566, wurde das Exemplar gedruckt, das Wolfgang Bellof nun in Händen hält: eine gerade restaurierte Lutherbibel. Im Wiesecker Heimatmuseum wird sie nun eine neue Bleibe finden.
»Sie ist im mittelhessischen Raum aufgetaucht«, erzählt Bellof, der Vorsitzende des Heimatvereins, der das Museum 2014 ins Leben rief. Bellof kaufte die Bibel in einem Nachlassverkauf. Und wandte sich zunächst an das Bibelmuseum Frankfurt und die Schlossbibliothek Laubach, um das Alter des prachtvollen Buches bestätigt zu bekommen. Das stimmte, die Bibel zählte tatsächlich circa 460 Jahre. Doch ihre Seiten waren von Schabfraß betroffen.
In Deutschland nur Restauratorinnen
Wolfgang Bellof beschreibt, dass er im Gutenbergmuseum in Mainz nachfragte, um einen geeigneten Restaurator zu finden. »Es gibt deutschlandweit zehn Restauratorinnen, die so etwas restaurieren«, berichtet er. Ja, nur Restauratorinnen. »Die sind besser in der Feinmotorik«, merkt er scherzend an.
In Frankfurt ist Bellof letztendlich bei der Restauratorin Barbara Hassel fündig geworden. Fast ein ganzes Jahr verbrachte das Buch in ihrer Obhut. »Das Leder musste wieder weich gemacht werden«, erklärt Bellof. Er verweist auf das Original-Büttenpapier, das aus Hader, abgeschnittenen Stoffstücken, besteht. Bellof macht zudem auf eine Widmung in der Bibel aufmerksam. Sie ist an Christian den Dritten, den König von Norwegen und Dänemark und Herzog von Schleswig, gerichtet.
Bibel an den »dänischen Luther«
Dieser war selbst überzeugter Lutheraner, führte die Reformation in Island, Dänemark und Norwegen ein und fertigte 1550 die erste dänische Bibelübersetzung an. Auch alte Pergamentstreifen aus dem 13. Jahrhundert wurden bei der Restaurierung gefunden.
4500 Euro kostete die Restaurierung insgesamt. 2000 davon übernahm die Sparkassenstiftung, 1000 die Kirchengemeinde. Ab dem kommenden März wird die Bibel, deren Aufbewahrung eine bestimmte Temperatur und Luftfeuchtigkeit voraussetzt, immer zu den Öffnungszeiten des Heimatmuseums zu sehen sein - zeitgleich mit der neuen Sonderausstellung des Heimatmuseums.