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Abgesang auf Arbeitswelt

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Ungewöhnlicher Ort einer Theaterpremiere. © Oliver Schepp

Gießen (pm). Einen heiter-düsteren Blick in die nahe Zukunft wirft die letzte Schauspiel-Premiere des Stadttheaters vor der Sommerpause: Der Soloabend »Wonderland Ave.« von Sibylle Berg erzählt von dem Konflikt zwischen Mensch und Maschine. Premiere ist am heutigen Samstag, 2. Juli, um 20 Uhr in einer leerstehenden Immobilie im Seltersweg 85.

Sibylle Bergs Theaterstück ist ein bitterbös-witziges Experiment mit einem realistischen Entwurf der nahen Zukunft: Maschinen haben die Macht übernommen, der Mensch wird entsorgt. »Wonderland Ave.« heißt das Durchgangslager des ausgesonderten Humankapitals, eine Wellness-Oase, in der übriggebliebene Menschen Leben simulieren - ein ewig währender Wettbewerb um den perfekten Zustand.

Magnus Pflüger spielt den namenlosen Menschen, der hier unfreiwillig einquartiert wird: Auf sich selbst zurückgeworfen und von Robotern kontrolliert, sucht er einen Ausweg aus seiner Nutzlosigkeit. Als Gesprächspartner bleibt ihm nur eine künstliche Intelligenz, die entscheidend in seine Tagesgestaltung eingreift, mit Rundumversorgung, aber auch Rundumüberwachung.

Kirsten Eschner, am Stadttheater als Regieassistentin engagiert, zeigt in ihrer ersten hiesigen Regiearbeit einen heiter-melancholischen Abgesang auf die Arbeitswelt, wie wir sie kennen. Die Inszenierung geht der Frage nach, was vom Menschen bleibt, wenn man ihn seiner bedingungslosen Produktivität beraubt und ihn zurückwirft auf die nackte Existenz. Passend zum Stück, das vom Ende der Arbeit und des Konsums erzählt, verwandelt sich ein leerstehendes Kaufhaus im Seltersweg in die Wonderland Avenue. Die Immobilie, in der früher die Ferber’sche Universitätsbuchhandlung sowie zuletzt eine Schuhhaus-Kette und ein Modefilialist untergebracht waren, wird vom Bauunternehmen Faber & Schnepp derzeit neu gestaltet. Vor dem Umbau sind die Räumlichkeiten nun noch einmal in einer ganz besonderen Nutzung zu erleben. Die Ausstattung dieses besonderen Theaterabends verantwortet Nadezhda Pavlova.

Da die Vorstellungen im 2. OG des Gebäudes stattfinden, ist der Aufführungsort nicht barrierefrei. Weitere Aufführungen folgen am 8. und 9. Juli, jeweils ab 20 Uhr.

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