Wie geht es weiter mit Karstadt in Gießen? Stark verändertes Angebot oder „arg sparsame“ Abfindung
Die Zukunft der Karstadt-Filiale in Gießen ist ungewiss. Bleibt sie bestehen? Muss sie schließen? Für beide Fälle gibt es bereits erste Verabredungen.
Gießen - Die Belegschaft von Karstadt in Gießen ist seit Wochen im Schwebezustand. Noch immer ist unklar, welche Standorte im Zuge der Insolvenz geschlossen werden sollen. Dafür bestätigt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Galeria, Jürgen Ettl, eine zumindest vorläufige Einigung mit Blick auf Abfindungen. Gegenüber dieser Zeitung bestätigt der Münchener einen Bericht des »Handelsblatts«, wonach sich Betriebsrat und Management auf eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern geeinigt haben, jedoch nicht mehr als 7500 Euro. Ettl macht keinen Hehl daraus, dass er diese Summe für deutlich zu gering ansieht: »Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Mitarbeiter.«
Die »Karstädter« haben turbulente Wochen hinter sich. Ende Oktober hat der Konzern mitgeteilt, erneut Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen zu wollen. Es ist das zweite Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren, dass der aus dem Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof entstandene Konzern den Weg zum Insolvenzgericht antreten muss. Bereits im April 2020 hatte das Unternehmen dort Rettung suchen müssen. Im Herbst 2022 meldete sich dann Markus Schön zu Wort, der Chef von »buero.de«. Er bekundete Interesse, mehrere Karstadt-Filialen übernehmen zu wollen, darunter auch jene in Gießen. Einen Tag vor Weihnachten machte Schön jedoch einen Rückzieher.
Seither ist es ein wenig still geworden um Deutschlands letzten verbliebenen Warenhauskonzern. Im Hintergrund ist jedoch weiter an der Zukunft gestrickt worden.
Am Mittwoch hat der Galeria-Konzern bekannt gegeben, dass das Amtsgericht Essen das Verfahren in Eigenverwaltung eröffnet hat, nachdem der Plan fristgerecht bei Gericht eingereicht worden sei. »Zuvor hatte der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig für die Fortsetzung der Eigenverwaltung gestimmt«, heißt es in der Mitteilung.
Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof: Transfergesellschaft für Gekündigte
Das damit verbundene Restrukturierungskonzept sieht ein Sortiment vor, das stärker auf die lokalen Bedürfnisse ausgerichtet ist. »Dazu zählt eine kundenfreundliche Verzahnung von Mobile-, Online- und Filialkaufmöglichkeiten.« Alle weiterbestehenden Filialen sollen modernisiert und auf das Konzept umgestellt werden, teilt Galeria mit und fügt an, dass in den Häusern auch Versicherungen, Schneidereien, Reinigungen oder Bürger-Services integriert werden sollen. Das Management betont zudem, in den Segmenten Bekleidung, Beauty und Home führend sein zu wollen. »Attraktive Gastronomie-Angebote« sollen die Filialen zu lokalen Treffpunkten der Innenstädte machen. Das alles sind Maßnahmen, die in der Modell-Filiale in Kassel bereits umgesetzt worden sind.

Das Management bestätigt zudem, das Filialnetz neu aufstellen zu wollen. Welche Standorte geschlossen werden, hänge weiterhin stark von den Zugeständnissen der Vermieter ab.
Die vorläufige Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Konzern umfasst daher auch eine Liste von 81 Standorten, die gestrichen werden könnten. Ob Gießen darauf zu finden ist, will Ettl nicht verraten. Auch der Betriebsrat des Gießener Standortes wisse das nicht, sagt Mitglied Iris Damm. »Es gibt wohl nur wenige Personen im Konzern, die die Liste kennen.« Damm betont aber, dass diese lediglich vorläufigen Charakter habe, es könne durchaus sein, dass einige der aufgeführten Häuser weitergeführt werden. »Es werden noch in allen Filialen Gespräche mit Vermietern und Gläubigern geführt. Es kann sich also noch einiges bewegen.« Bei vorherigen Karstadt-Insolvenzen hätten Filialen bereits Räumungsverkäufe angeboten, seien dann aber doch noch gerettet worden, sagt das Betriebsratsmitglied.
Galeria Karstadt Kaufhof in Gießen: 174 Mitarbeiter ist „im Plan“
Der vorläufige Interessenausgleich enthält laut Ettl auch die Gründung einer Transfergesellschaft. Dort sollen gekündigte Mitarbeiter bis zu sechs Monate beschäftigt werden können. Im Anschluss einen neuen Job zu finden, dürfte Ettl zufolge kein großes Problem sein. »Ich stehe mit der Agentur für Arbeit in Kontakt. Theoretisch könnte man alle Mitarbeiter unterkriegen, da im gleichen Lohnsektor, zum Beispiel im Einzelhandel, der Pflege oder der Gastronomie, viele freie Stellen vorhanden sind.« Dass viele Mitarbeiter ihren Job nicht wechseln wollen, steht auf einem anderen Blatt.
Ungewiss ist zudem, was mit jenen Mitarbeitern passiert, deren Häuser weitergeführt werden. Aussagen des Galeria-Generalbevollmächtigten deuten darauf hin, dass Stellen abgebaut werden. Auch Heidrun Feierabend, die Vorsitzende des Gießener Betriebsrats, will das nicht ausschließen. »Dazu liegen uns zwar keine Informationen vor, es könnte aber durchaus sein, dass Mitarbeiter entlassen werden oder Gehaltskürzungen in Kauf nehmen müssen.« Damm fügt an, dass dies in der Vergangenheit »geübte Praxis« gewesen sei. »Es gibt Filialen, in denen jetzt schon Personalmangel herrscht. Gießen liegt mit 174 Frauen und Männern im Plan«, sagt Feierabend.
Vieles ist noch unsicher, die Festlegung auf eine Abfindung von zwei Monatsgehältern beziehungsweise maximal 7500 Euro scheint hingegen weitgehend festzustehen. »Wir haben viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, manche sind schon länger als 40 Jahre in Gießen dabei«, sagt Feierabend. Sollte es bei den zwei Monatsgehältern bleiben, wäre das nach solch einer langer Betriebszugehörigkeit »arg sparsam«, findet sie. Ein Schlag ins Gesicht, wie es Ettl formuliert? »Ja, das kann man so sagen.« (Christoph Hoffnann)